Empathie statt Kundensegmentierung

Kundensegmentierung Empathie Sparkasse

Kein Vertriebsprojekt ohne eine Kundensegmentierung. Kunden werden nach unterschiedlichen Kriterien in Cluster eingeteilt, es werden Mitarbeiterprofile zur Betreuung erstellt und Größen berechnet, wie viele Kunden pro Mitarbeiter betreut werden können. Dies mag zwar aus organisatorischen Gründen Sinn ergeben, meist stiftet es jedoch nur wenig Nutzen. Menschen treffen Kaufentscheidungen vor allem emotional. Nur wenige Sparkassen machen sich jedoch die Mühe, wirklich in die Erlebniswelt der Kunden einzutreten, um ein empathisches Verständnis für die Kunden aufzubauen. Kundenprofile können hierbei helfen.

Die gängigsten Kundensegmente bei Sparkassen sind: Beratungskunden, Betreuungskunden, Individualkunden, Gewerbekunden und Firmenkunden. Diese Gruppen unterscheiden sich zum einen durch die Herkunft der finanziellen Mittel, zum anderen durch die Höhe des Einkommens und Vermögens. Innerhalb dieser Gruppen werden aber alle Kunden gleich behandelt. Hierin liegt der große Fehler. Statt herauszufinden, mit welchen Erwartungen und Bedürfnissen die Kunden auf die Sparkasse treffen, wird segmentiert. Doch wie soll die Sparkasse eine Beratung mit Kundenmehrwert anbieten, wenn die Empathie für das Gegenüber fehlt? Auch wenn die Kundensegmentierung den Eindruck vermittelt, dass z. B. Das Segment „Individualkunden“ eine homogene Gruppe darstellt, so ist diese Gruppe in Wahrheit enorm heterogen. Homogenität herrscht nur bei den von der Sparkasse gewählten Gehalts- und Vermögensbandbreiten bzw. Alterskohorten. Doch das ändert nichts daran, dass sich innerhalb dieser Gruppe die unterschiedlichsten Menschen befinden. Die Kundensegmentierung „entmenschlicht“ sie nur ein wenig – durch ein selbst gewähltes Ordnungssystem. In vielen Sparkassen beobachte ich, dass dadurch aber die Fehlannahme getroffen wird, man könne all diese Gruppen „gleich“ betreuen. Doch gerade Sparkassen dürfen nicht vergessen, dass sie es nicht mit „Segmenten“, sondern mit „Menschen“ zu tun haben.

Blicken wir einmal näher in das Segment der sogenannten Individualkunden und erarbeiten uns anhand von Vergleichspaaren einen empathischeren Blick darauf:

  • Was unterscheidet jemanden, der regelmäßig die GEO liest, von jemandem, der es liebt, den STERN zu lesen?
  • Was unterscheidet einen FDP-Wähler von jemandem, der die SPD wählt?
  • Was unterscheidet jemanden, der Single ist, von einem Familienvater?
  • Was unterscheidet jemanden, der verbeamtet ist, von jemandem, der in einem Startup arbeitet?
  • Was unterscheidet ein schwules Pärchen von einem Hetero-Pärchen?

Die Liste ließe sich beliebig erweitern; Sie erkennen jedoch sicher bereits, dass selbst in einer als homogen angenommenen Gruppe der Individualkunden komplett unterschiedliche Menschen enthalten sind. Das menschliche Erleben wird aber komplett durch unsere eigene Lebensrealität geprägt, diese unterscheidet sich und ist somit von Mensch zu Mensch höchst individuell. Bisher machen sich nur wenige Sparkassen Gedanken darüber, welche Auswirkungen dies auf die Beratung des Kunden hat. Ein großer Fehler (siehe auch dieser Artikel). Es gilt, einen empathischen Blick auf den Kunden zu entwickeln und aus den daraus gewonnenen Erkenntnissen abzuleiten, was dies für die SFK Beratung, aber auch für das gesamte Dienstleistungsangebot der Sparkasse bedeutet. Ein Sprichwort lautet sinngemäß: „Urteile nie über jemanden, in dessen Schuhen du nicht gelaufen bist.“. Genau darum geht es: Stellen Sie sich (im übertragenen Sinne) in die Schuhe Ihrer Kunden!

Ich empfehle hier zwei Vorgehensweisen:

  • Bildung von homogenen Kundenprofilen (max. 5 für PK und 5 für FK)
  • Sensibilisierung der Beraterinnen und Berater für die Gesprächsvorbereitung

Bei der Bildung von Kundenprofilen können die Zielgruppen aus der Vertriebsstrategie der Zukunft eine Grundlage sein. Ziel der Kundenprofile ist es, Klarheit darüber zu schaffen, wie die Erlebniswelt des einzelnen Kunden aussieht, welche Erwartungen/Bedürfnisse daraus resultieren und was das letztlich für die Betreuung dieses Kunden bedeutet. Am besten funktioniert die Erarbeitung mit einer Gruppe von max. 8 Mitarbeitern. Dabei werden folgende Kategorien beantwortet (diese können Sie gerne durch eigene Kategorien erweitern):

  • Persönliche Daten: Name, Alter, Geschlecht, Familienstand, Einkommen, Vermögen
  • Verhalten:Kleidungsstil, Lieblingslokalitäten, besuchte Webseiten, gelesene Bücher, Magazine und Zeitungen, Vorlieben für Urlaub/Freizeitgestaltung/Tagesablauf etc.
  • Einflussgruppen:Welche Menschen, Gruppen, virtuelle Gruppen (z. B. Blogs, YouTube-Kanäle), Primärgruppen (z. B. Partner, Eltern) und sonstige Einflussfaktoren prägen die Meinung dieses Kunden?
  • Konsumerlebnisse: Welche Konsumerlebnisse hat dieser Kunde neben der Sparkasse? (z. B. Einkauf von Lebensmitteln, Beratung zum Küchenkauf, Urlaubsplanung, Online-Shopping)
  • Erwartungen: Welche Erwartungen hat dieser Kunde an einen Finanzdienstleister? Woran erkennt er, ob er „willkommen“ ist? Wie definiert er eine ausgezeichnete Kundenbetreuung/Service?

Je spezifischer Sie die einzelnen Fragen beantworten und sich somit in den Kunden hineinversetzen können, desto besser. Ergänzend könnten Sie ebenso „befreundete“ Kunden mit in den Workshop integrieren, um noch tiefere Erkenntnisse aus erster Hand zu gewinnen. Nachdem für alle Teilnehmer ein eindeutiges Bild von diesem Kunden entstanden ist, gilt es im nächsten Schritt, daraus abzuleiten, was dies nun für die unterschiedlichen Kundenreisen, also die Summe der Erlebnisse, die ein Kunde in Verbindung mit der Sparkasse hat, bedeutet. Wie würde der Beispielkunde Ihr aktuelles Vorgehen beim Sparkassen-Finanzkonzept bewerten?

Sie werden sicher zahlreiche Möglichkeiten zur Verbesserung des Kundenerlebnisses entdecken. Nachdem Sie die Kundenprofile finalisiert haben, stellen Sie diese allen Mitarbeitern zur Verfügung. Sensibilisieren Sie insbesondere Ihre Vertriebsmitarbeiter, sich im Vorfeld eines Gesprächs kurz darüber Gedanken zu machen, welcher Kundentyp nun gleich zur Beratung kommt und was das für die Beratung bedeutet. Sie werden sehen, die Ergebnisse werden beeindruckend sein: Begeisterte Kunden und begeisterte Mitarbeiter, weil sich zwei Menschen wirklich auf Augenhöhe begegnen!

Über den Autor: Prof. Dr. Jürgen Weimann

Dr. Jürgen Weimann ist einer der führenden Managementberater für Zukunftsfähigkeit durch wirkungsvolle Führung und kompromisslose Kundenzentrierung mit Schwerpunkt im Sparkassen Consulting & Bank Beratung.

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