Kultur wandel Dich!

Zahlreiche Institute beschäftigen sich aktuell mit ihrer Unternehmenskultur. In oftmals sehr komplexen Verfahren werden Leitbilder erstellt, Mitarbeitende involviert, grafisch aufwändige Visualisierungen erstellt und viel Sachaufwand investiert. Die Wirkung dieses ganzen Aufwands ist leider häufig nur minimal. Doch was sind die möglichen Ursachen?

Begeistert berichtet mir die Vorstandsvorsitzende von dem Kulturprojekt, welches vor zwei Jahren angestoßen wurde. Alle Führungskräfte waren involviert, das Top-Management ebenso. Über 30 % der Mitarbeitenden konnten aktiv daran teilhaben. Eine sehr hohe sechsstellige Summe wurde in die externe Begleitung und die künstlerischen Visualisierungen investiert. Es wurde sogar ein sogenanntes Kulturteam etabliert, das sich seitdem regelmäßig trifft, um weitere Maßnahmen zu überlegen. Doch gerade liegt die Mitarbeiterbefragung auf dem Tisch der Vorstandsvorsitzenden und die Ergebnisse sind niederschmetternd: Die Zufriedenheitswerte sind im Vergleich zu der letzten Befragung vor dem Projekt deutlich gesunken.

Viel Entertainment – wenig Nutzen

Leider erlebe ich solche Momente immer wieder. Viele am Markt vorhandene Ansätze haben einen hohen Entertainmentfaktor, entfalten jedoch nur wenig Wirkung. Die häufigsten Gründe hierfür sind folgende:

  • Die Komplexität von Kultur wird unterschätzt. Kultur ist nur indirekt zu managen und kann nicht direkt verändert werden.
  • Die Ansätze erfolgen größtenteils ohne die aktive Beteiligung des Top-Managements.
  • Strukturen, Abläufe und Prozesse werden nicht neu ausgerichtet.

Die Herausforderung beim Kulturwandel besteht bereits darin, dass Kultur sich in sichtbare und somit bewusste Dimensionen und unsichtbare, unbewusste Dimensionen aufteilen lässt. Gekennzeichnet sind diese Dimensionen von Artefakten, Werten und Normen sowie Grundannahmen. Artefakte sind die sichtbaren Verhaltensweisen und Symbole in der Organisation; so etwas wie die Größe des Büros, der Dienstwagen, der Statusrang etc. Werte und Normen dienen den Menschen als Verhaltensmaximen. Die Grundannahmen sind die Summe der im Unternehmen vorhandenen Narrative und der individuellen Überzeugungen der Individuen.

Vertrauen entsteht durch das tägliche Erleben

Jetzt glauben viele, dass sich die Werte und Normen einfach durch Anweisungen verändern lassen. In zahlriechen Workshops werden daher neue Werte definiert, weil die alten nicht mehr zeitgemäß sind. Vertrauen ist dabei einer der neuen Lieblingswerte. Doch Vertrauen entsteht weder durch das Drucken des Wortes auf Tassen noch indem man es in ein wunderschönes Kunstwerk integriert. Vertrauen wächst täglich durch Erleben – oder wird durch das tägliche Erleben zerstört. Wenn Menschen immer wieder merken, dass selbst kleinste Handgriffe controlled werden, dass es Auswertungen auf der niedrigsten operativen Ebene gibt, dass selbst kleine Entscheidungen die Einbindung einer Führungskraft benötigen, dann lernen sie täglich: Mir wird nicht vertraut. Somit steht das eigene Erleben permanent im Konflikt mit dem Gehörten und Gesagten. Es herrscht keine Kongruenz zwischen den Elementen aus dem Kulturprojekt und dem wirklichen Erleben. Das löst zunächst Unzufriedenheit aus, die im schlimmsten Fall in Frust und Zynismus umschlagen kann.

Dadurch sind viele Investitionen und Beratungsprojekte leider nur sehr teures Business-Theater ohne nachhaltige Wirkung. Für eine wirkungsvolle Umsetzung braucht es:

  • Top-Management als Treiber des Wandels – Change kann nicht delegiert werden, da für wirkliche Veränderungen formale Macht und Gestaltungsmöglichkeiten notwendig sind.
  • Systemischer Ansatz – Anpassung der Strukturen und Prozesse, die aktuell die Werte und Normen prägen, welche als nicht mehr zeitgemäß gelten.
  • Erlebbarkeit im täglichen Doing – Mitarbeitende müssen täglich erleben und spüren, dass das, was in Leitbildern und Verhaltensmaximen niedergeschrieben wurde, Realität ist bzw. dass man sich bei Zukunftsbildern auf diesem Weg auch tatsächlich in die richtige Richtung bewegt.

Erlauben Sie mir abschließend noch einen kurzen Vergleich mit dem Privatleben: Die Kultur unserer Beziehungen und Freundschaften lösen wir auch nicht mit vielen Workshops oder PowerPoint-Präsentationen. Die Beziehungsqualität entscheidet sich durch unser tagtägliches Handeln! Ähnlich ist es im Unternehmenskontext. Warum predigen viele Organisationsformen Vertrauen, behandeln die Menschen gleichzeitig aber auch heute noch wie Unmündige? Hier gilt es anzusetzen, die aktuellen Strukturen und Abläufe zu liberalisieren. Nur so kann eine veränderte Kultur entstehen.

Über den Autor: Prof. Dr. Jürgen Weimann

Dr. Jürgen Weimann ist einer der führenden Managementberater für Zukunftsfähigkeit durch wirkungsvolle Führung und kompromisslose Kundenzentrierung mit Schwerpunkt im Sparkassen Consulting & Bank Beratung.

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