Vertriebscontrolling 2.0: „Weniger ist mehr“ statt „Miss es oder vergiss es“

Vertriebscontrolling 2.0

Gerade in der aktuellen Marktsituation versuchen Sparkassen ungenutzte Ertragspotenziale zu heben und so kosteneffizient wie möglich zu agieren. Ein Bereich, der Unsummen an Geld verschlingt bleibt aber bei den meisten Instituten ohne jegliche Beachtung: Das Vertriebscontrolling. Von der Erfassung bis zur Interpretation und Umsetzung von Maßnahmen verbrennen die meisten Steuerungssysteme Geld, ohne Mehrwert für Kunden, Mitarbeiter oder die Sparkasse zu erzeugen. Im Vertriebscontrolling sollte daher heute „weniger ist mehr“ statt „miss es oder vergiss es“ gelten.

Sparkassen sind Controllingweltmeister: Nicht selten führen zwanzig und mehr Einzelziele dazu, dass in nur wenigen Instituten Vertriebsmitarbeiter ihre Jahresziele auswendig wiedergeben können. Interessant hierbei ist, dass während Vertriebsmitarbeiter vor lauter Einzelzielen schier die Orientierung verlieren, die Anzahl der zu erreichenden Ziele in den Stabs- und Marktfolgebereichen entweder sehr überschaubar oder schlicht nicht vorhanden ist. Fünf Thesen für einen Neuanfang!

Sinn vermitteln und in den Zielkarten verankern

Jede Sparkasse hat eine Gesamthausstrategie. Diese ist nicht zuletzt durch die aufsichtsrechtlichen Anforderungen notwendig. Doch bei nur wenigen Sparkassen ist die Gesamthausstrategie so verfasst, dass die Mitarbeiter Lust haben, diese zu lesen. Die Gesamthausstrategie sollte nicht nur ein Papiertiger sein, sondern vor allem Sinn vermitteln, bspw. die Klärung des Zwecks der Unternehmung, denn die Sparkassenidee ist mittlerweile über 100 Jahre alt und jede Sparkasse wurde mit der Vision gegründet, für die Menschen in ihrer Region dazu sein. Deshalb sollte sich jeder Vorstand auch heute die Frage stellen: Warum würde der Region etwas fehlen, wenn unsere Sparkasse nicht mehr da wäre? Aus dieser Vision leiten Sie die betriebswirtschaftlichen Erfordernisse ab und diese wiederum münden in den Zielkarten.Kurzum, es gibt eine klare Verbindung. Nicht allen Sparkassen gelingt es, diese Verbindung für den Mitarbeiter verständlich darzustellen. Es gibt die Zielkarten auf der einen Seite und die betriebswirtschaftlichen Erfordernisse auf der anderen Seite. Es kann nicht sein, dass ein Vertriebsmitarbeiter nicht weiß, mit welchem Jahresertrag er mit der Erreichung seiner Ziele zum großen Ganzen beiträgt und umgekehrt, wie viel Ertrag fehlt, wenn er die Ziele nicht erreicht. Nur durch diese Verbindung entsteht Identifikation mit den Zielen, diese sind nicht „vom Vertriebsmanagement undurchsichtig errechnet“, sondern haben eine klare Verbindung zur Vision und Gesamthausstrategie.

Kundenzentrierung statt Kundenabhängigkeit

Gerade im Zusammenhang mit Filialschließungen oder -zusammenlegungen, betonen Sparkassen den Nutzen des verbleibenden Geschäftsstellennetzes. Doch wie sieht die Realität für die Kunden aus? Kundenzentrierung bedeutet für die Sparkasse, die Dienstleistungen, Produkte, Abläufe und Prozesse aus Kundensicht zu denken und zu gestalten. In zahlreichen Sparkassen gilt heute noch das sogenannte Hauptbetreuerprinzip. Ein Ansprechpartner soll sich um die gesamten finanziellen Belange des Kunden kümmern. Zunächst klingt dieses Prinzip sehr kundenzentriert, betrachtet man es aber näher, so bedeutet es aufgrund des Steuerungssystems bei zahlreichen Instituten: Zwang und weniger Mehrwert.Sämtliche Erträge und Abschlüsse werden im Steuerungssystem diesem sogenannten Hauptbetreuer zugerechnet. Dies führt in der Praxis zu Fehlsteuerungen, da manche Mitarbeiter, die nicht Hauptbetreuer sind, sich nicht für den Kunden verantwortlich fühlen, weil sie für ihre eigene Zielkarte arbeiten möchten. Der Kunde merkt dies z. B. bei einem Besuch in einer Filiale, die nicht die des Hauptbetreuers ist: Mitarbeiter versuchen einen Termin beim Hauptbetreuer zu vereinbaren, anstatt sich sofort um eine Lösung für den Kunden zu kümmern oder die Vertriebschance für die Sparkasse zu nutzen. Dadurch reduziert sich das oftmals (zurecht!) angepriesene Filialnetz auf genau einen Menschen: den Hauptbetreuer. Künftige Vertriebssteuerungssysteme verzichten daher entweder auf diese starre Zuordnung sämtlicher Abschlüsse und Erträge, indem sie die Abschlüsse dort erfassen, wo sie passieren. Oder alternativ hierzu eine entsprechende Gewichtung zwischen Abschlüssen (Abschliesserprinzip) und zugerechneten Erträgen (Hauptbetreuer), um Interessenskonflikte / internen Aufwand durch Kundenumschlüsselungen wegen Ertragszurechnung zu verhindern.

 „Weniger ist mehr“ statt „miss es oder vergiss es“

Die Kreativität in der Definition von Zielfeldern kennt fast keine Grenzen. In meiner bisherigen 20-jährigen Berufslaufbahn habe ich von 50 Zielfeldern für einen Filialmitarbeiter bis hin zur Verzielung der Anzahl an „Papierbögen“ vieles gesehen. Entscheidend für das Zielsystem ist jedoch, dass es Orientierung geben soll, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Häufig wird das Zielsystem jedoch dafür verwendet, etwaige vermutete oder schon klar bekannte Schwächen im Führungssystem zu heilen. Dies funktionierte bislang nicht und wird auch zukünftig nicht funktionieren. Wenn es z. B. den Führungskräften nicht gelingt, den Mitarbeitern den Sinn hinter der Nutzung des Anlageberatungsprozesses (BPA) zu vermitteln, dann hilft hier auch kein Ziel „Einsatz BPA“. Denn das Ergebnis wird sein, dass der BPA häufig ohne Sinn und Mehrwert zum Einsatz kommt, Hauptsache man hat sein Ziel erreicht. Daher gilt für ein Vertriebscontrolling, das in die Zukunft führt: wenige Zielfelder, eine Mischung aus Aktivitäten, Ertragszielen und persönlichen Zielen sowie die Integration der Stimme des Kunden durch den Net-Promoter-Score (NPS) oder eine andere Messgröße für die Kundenzufriedenheit. Alle Zielfelder zusammen sollten nicht mehr als zehn Zielgrößen ergeben.

Vertriebscontrolling als Motivator statt Verwaltungsakt

Abhängig vom gewählten Zielsystem ist der Aufwand verschieden. Auch hier unterscheiden sich die Sparkassen extrem voneinander. Die einen nutzen bereits seit Jahren voll automatisierte Zielerfassung durch OSPlus, während andere noch manuelle Listen führen. Gerade in den Häusern, die z. B. eine barwertige Steuerung im Einsatz haben, verbringen die Mitarbeiter sehr viel Zeit damit, zu verstehen, wie sich die Ergebniswirkung überhaupt zusammensetzt. Andere wiederum haben neben dem Zielsystem noch weitere Schattencontrollings, weil dem Hauptsystem kein Vertrauen geschenkt wird oder die jeweilige Führungskraft eine noch speziellere Darstellung oder Detailtiefe wünscht. Bei allem hilft ein kurzes Innehalte und die Rückbesinnung auf den Sinn: Die Erreichung der Gesamthausziele soll durch das Zielsystem abgebildet und somit unterstützt werden. Hinterfragen Sie daher kritisch, ob wirklich jeder gewohnte Report notwendig ist und an welcher Stelle genau er Ihnen hilft, die Gesamthausziele zu erreichen. Gleiches gilt für etwaige leistungsorientierte Vergütungsmodelle, denn nicht selten werden extrem hohe Zeitanteile mit dem Nachrechnen verbracht, damit am Ende 1000 EUR brutto Ausschüttung pro Mitarbeiter herauskommen. Meine provokante Hypothese lautet: Mindestens 40 % der Sparkassen könnten die variablen Gehaltsanteile blind vergeben und würden zudem 50 % an Aufwand (in Form von Zeit) sparen.

Vertriebsmeetings statt „Zielkartenvorlesestunden“

Im Kontakt mit Vertriebsmitarbeitern ist eine meiner ersten Fragen: Welche Lehren ziehen Sie aus den Gesprächen mit Ihrer Führungskraft und den Teammeetings? Zu 80 % wird die Antwort mit Augenrollen und einem Seufzen eingeleitet. Sie können sich das Ergebnis denken … Doch woran liegt das? Es gibt wunderbare Vertriebsführungskräfte, die es verstehen, das Potenzial der ihnen anvertrauten Menschen zu erkennen und die sogar dafür sorgen, es noch zu steigern. Leider gibt es aber auch andere. Daher fragen Sie sich einfach selbstkritisch: Wieviel % Ihrer Führungskräfte würden Sie auch heute wieder dort einsetzen? Die Auswirkungen, die diese Antwort aber auf die gesamte Sparkasse und vor allem auf die Performance der Mitarbeiter hat, ist enorm. Menschen brauchen niemanden, der ihnen etwas vorliest, was sie selbst lesen können. Vertriebsmeetings, die darin bestehen, dass dem Mitarbeiter anhand der Zielkarte erklärt wird, welche „Ampeln rot“ sind und dann in Rechtfertigungsarien münden, bringen keinerlei Mehrwert. Der Mitarbeiter weiß, wo er hinter den Erwartungen geblieben ist. Die Führungskraft sollte daher ihr Augenmerk darauf lenken, wo der Mitarbeiter Unterstützung benötigt, um die Zielvorgaben zu erreichen. Dies setzt Empathie und vor allem die Freude, mit Menschen zu arbeiten, voraus. Hinterfragen Sie Ihre Führungskräfte und die Anzahl der Vertriebsgespräche daher kritisch. Nicht die Quantität macht den Unterschied, sondern die Qualität. Handeln Sie entschlossen – in der jetzigen Marktsituation kann es sich keine Sparkasse mehr leisten, Führungskräfte im Einsatz zu haben, die für diese Position nicht geeignet sind.

Die Ausführungen zeigen, dass im Zielsystem so viel Wirkungskraft liegt, egal ob Vertrieb oder Stab, die es gilt in diesen herausfordernden Zeiten zu heben. Das Zielsystem sollte die Menschen Ihrer Sparkasse vereinen, auf die Erreichung der Ziele formieren und ihnen Orientierung geben, wie die Ziele erreicht werden können. Wenn Sie eine kurze Einschätzung zu Ihrem bestehenden Zielsystem haben möchten, schicken Sie mir Ihre Zielkarten an jw@juergenweimann.com und Sie erhalten von mir in einem 30-minütigen Telefonat ein kostenfreies Feedback.

Über den Autor: Prof. Dr. Jürgen Weimann

Dr. Jürgen Weimann ist einer der führenden Managementberater für Zukunftsfähigkeit durch wirkungsvolle Führung und kompromisslose Kundenzentrierung mit Schwerpunkt im Sparkassen Consulting & Bank Beratung.

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