Sparkassen-Finanzkonzept: ganzheitliche Verwaltung statt ganzheitlicher Beratung

Beratung in der Filiale einer Sparkasse mit dem Finanzkonzept

Fast alle Sparkassen in Deutschland nutzen das Sparkassen-Finanzkonzept zur ganzheitlichen Beratung ihrer Kunden. Die Grundidee des Beratungsansatzes ist dabei, dem Kunden anhand seiner finanziellen Bedürfnisse und Wünsche entsprechende Möglichkeiten und Lösungen vorzuschlagen. Klingt logisch und sehr gut, läuft in der Realität vieler Sparkassen aber ganz anders. Ellenlange Anweisungen definieren haarklein, was ein Finanzkonzept-Gespräch ist, wie es durchgeführt werden soll und wie danach die Erfassung für das Controlling vorgenommen werden muss. Bei all den zwar notwendigen und sicher auch gut gemeinten Aktivitäten kommt eines zu kurz: Emotionen. Kundengespräche sind kein Verwaltungsakt, sondern eine Begegnung zwischen zwei Menschen. Es ist also an der Zeit für einen Neuanfang!

Die Anzahl der Kundenbesuche in Sparkassen hat sich in den letzten Jahren drastisch reduziert und damit ebenso die Chance für ein spontanes und persönliches Beratungsgespräch mit dem Kunden. Umso wichtiger ist es, dem Kunden einen Mehrwert anzubieten, der es aus seiner Sicht wert ist, sich die Zeit für ein Beratungsgespräch zu nehmen. Lassen Sie uns im Folgenden auf einen Beratungstermin von Theo Testkunde bei seiner Beraterin Sonja Sparkasse blicken; was bewegt sie und was erleben sie? Theo Testkunde, 39, ist angestellte Führungskraft in einem Konzern, der am Standort der Sparkasse ansässig ist, alleinstehend, mit einem monatlichen Nettoeinkommen von 4.500 €. Er wurde angerufen, um seine neue persönliche Betreuerin Sonja Sparkasse kennenzulernen.

Erlebniswelt Theo Testkunde

Gedanken / Erwartungen im Vorfeld

  • Hoffentlich ist Frau Sparkasse ebenso freundlich wie die Dame bei der Terminvereinbarung, denn eigentlich sehe ich momentan keinen Bedarf für einen Beratungstermin.
  • Wie lange das wohl dauert?
  • Hat die Sparkasse überhaupt einen Parkplatz? Mitten in der City könnte das sonst ein Horror werden.

Beliebte Informationsquellen

  • Handelsblatt
  • Eigene Internetrecherche
  • Podcast zum Thema Führung und Finanzen

Bisher erlebte Beratungen und somit Vergleichsszenarien

  • Beratung beim Kauf der Küche vor einem halben Jahr
  • Empfehlungen eines Freundes, der eine Versicherungsagentur hat
  • Veranstaltung von MLP bei seinem Arbeitgeber und Beratung zur betrieblichen Altersvorsorge
  • Teilnahme an diversen Webinaren zum Thema „Vermögensaufbau mit Aktien“
  • Bericht eines Freundes über sein Beratungsgespräch bei der Deutschen Bank
  • Erfahrungen mit dem Vorgänger von Frau Sparkasse
  • Gespräche mit der DiBa, wo er ein Depot und Tagesgeldkonto hat

Erlebnis des Beratungsgesprächs aus Sicht von Theo Testkunde

Zum Glück hat die Sparkasse eine Tiefgarage, in die ich mit meiner Sparkassen-Karte reinfahren kann. Der Weg zu den Aufzügen ist schwer zu finden, da es mehrere Ausgänge gibt. Im Aufzug wähle ich zunächst das „EG“, weil die Beschriftungen „Individualkunden“, „Private Banking Kunden“, „Firmenkunden“ und „Geschäftsstelle“ nicht wirklich klar machen, wo ich nun hin soll. Hätte man mir auch vorher sagen können. Was ist überhaupt ein „Individualkunde“?

Die Dame an der Anmeldung meldet mich dann telefonisch bei Frau Sparkasse an und sagt mir, ich solle mich in den 2. Stock begeben. Was mir in den Räumlichkeiten vor allem auffällt: Große Hitze, die scheinen keine Klimaanlage zu haben und ein Interieur, wie aus einer vergangenen Zeit. Im 2. Stock sieht das Ganze schon besser aus. Es ist zwar nicht kühler, aber immerhin etwas moderner eingerichtet.

Ich werde von Frau Sparkasse empfangen und nachdem sie mir ein Getränk angeboten hat, startet Frau Sparkasse mit dem Beratungsgespräch. Dabei verwendet Sie eine Holzpyramide, die so ähnlich wie diese Kinderspielzeuge aussieht. Diese solle die Bedarfsfelder des Menschen in finanzieller Hinsicht darstellen. Gefühlt gibt es zu jedem einzelnen Baustein dieser Pyramide 5 Fragen, die ich brav beantworte.

Frau Sparkasse tippt meine Antworten in den Bildschirm vor ihr, auf den ich zwar schauen kann, aber nicht wirklich erkennen kann, was der Mehrwert dieses „Interviews“ ist. Auf meine Rückfrage antwortet Frau Sparkasse: „Damit ich Sie Ihren Wünschen entsprechend beraten kann.“ Aha, komisch, dass ja bereits vor Jahren ihr Vorgänger mir schon ähnliche Fragen gestellt hat. Aber ok.

Wenn ich nun schon in der Sparkasse bin, frage ich Frau Sparkasse doch auch gleich mal nach ihrer Meinung zu Bitcoins und ob es aktuell noch Sinn hat, in die Technologieaktien von z. B. Facebook und Amazon zu investieren. Die Antwort von Frau Sparkasse ist sehr knapp: „Leider darf ich Ihnen zu beiden nichts sagen, da wir keine Bitcoins und keine direkte Anlage in Aktien anbieten, aber wir könnten uns einen Fonds der Deka anschauen, wenn Sie möchten?“. Schade, es scheint, als wenn Frau Sparkasse zwar sehr gut über die Sparkasse und deren Produkte Bescheid weiß, aber ganzheitliches Finanzwissen scheint nur teilweise vorhanden zu sein.

Mittlerweile sind 30 Minuten vergangen und wir sind noch nicht mit allen Fragen durch. Angesichts der Temperaturen im Büro von Frau Sparkasse bin ich froh, dass mir ein weiteres Wasser angeboten wird. Nach weiteren 10 Minuten leitet Frau Sparkasse nun das Gespräch auf ihre Empfehlungen für meine finanziellen Angelegenheiten.

Es scheint ein Bewertungssystem im Computer zu geben, das ihr sagt, für mich seien vor allem der Vermögensaufbau und die Altersvorsorge relevant. Stimmt, mit beiden habe ich mich bisher noch nicht so wirklich befasst. Das Geld für Konsum und Reisen ausgeben, stand für mich bisher mehr im Vordergrund. Zu meinen Aktivitäten und was mir persönlich Freude bereitet, hat Frau Sparkasse mich nur bisher sehr wenig gefragt. Sie zeigt mir nun eine Auswertung, auf welchen Teil meines Nettogehalts ich im Falle der Rente verzichten müsse.

Ganz schön schockierend. Für eine Lösung reicht meine Zeit jetzt aber nicht mehr, da ich zu meinem Kaffeedate mit Katharina muss. Frau Sparkasse sagt, wir sollten einen Folgetermin ausmachen, den ich aber erstmal höflich wegen „mangelnder Zeit“ vertage. Irgendwie hat sich das Gespräch für mich wie ein strukturiertes Interview angefühlt. Schade, mit dem Vorgänger haben sich Gespräche immer lockerer und wie mit einem Freund angefühlt. Komisch auch, dass sie zu meinen Konten bei der DiBa nichts weiter gesagt hat …

Erlebniswelt Sonja Sparkasse

Erwartungen / Gedanken im Vorfeld

  • Herr Testkunde arbeitet bei der XY AG, das sind immer schwierige Kunden.
  • Warum haben meine Vorgänger bisher nichts mit ihm abgeschlossen?
  • Was könnte ich Herrn Testkunde denn verkaufen?
  • Heute habe ich auch noch mein wöchentliches Führungsgespräch, da sollte ich aufgrund der schlechten letzten Woche einen Abschluss präsentieren.
  • Das Konto habe ich mir bereits angeschaut; unglaublich, wie der mit dem doppelten meines Einkommens es bisher noch nicht geschafft hat, mehr Vermögen aufzubauen als ich.

Beliebte Informationsquellen

  • Intranet der Sparkasse
  • Veranstaltungen / Trainings von Verbundpartnern

Bisher erlebte Beratungen und somit Vergleichsszenarien

  • Beratungen in der Ausbildung, bei Vertriebstrainings
  • Mitgehörte Beratungen von Kolleginnen und Kollegen aus den Nachbarbüros
  • eigenes Beratungsgespräch mit der Beratungseinheit für die eigenen Mitarbeiter
  • Beratungsgespräche bei der Organisation der eigenen Hochzeit (z. B. Hochzeitsplaner, Kauf des Kleides)

Erlebnis des Beratungstermins aus Sicht von Sonja Sparkasse

Dienstag 17:30 Uhr. Wie ich es liebe, typisch Mitarbeiter der Firma XY AG, die schaffen es einfach nicht zu unseren „normalen“ Öffnungszeiten. Ah, da ruft die Kollegin schon an, wenigstens ist er pünktlich. Herr Testkunde macht einen sehr sympathischen und offenen Eindruck. Mein Getränkeangebot nimmt er gerne an, zum Glück wollte er keinen Kaffee, denn den kann man hier einfach nicht trinken. Beginnen wir nun mit dem SFK in OSPlus. Ich erkläre ihm den Ablauf des Beratungsgesprächs und den Aufbau des SFK anhand der Holzpyramide. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass er sich dabei langweilt.

Aber machen wir mal weiter. Stück für Stück durch das Finanzkonzept. Ganz schön viele Fragen und er redet aber auch so gern; da sind wirklich viele Informationen zu erfassen. Irgendwie fühle ich mich Herrn Testkunde etwas unterlegen, der scheint sehr viel Wissen über seine Finanzen zu haben. Oh, ein Konto und Depot bei der DiBa hat er auch. Jetzt will er auch noch was über Bitcoins und Aktien wissen, obwohl ich dazu doch gar nichts sagen darf. Ich gebe ihm die offizielle Antwort, dass wir unseren Kunden Fonds Der DEKA anbieten und darüber hinaus keine Empfehlungen zu Aktienkäufen geben können.

Die Antwort scheint ihn nur bedingt zu befriedigen … Mist, und das, wo ich doch noch nicht mal bei der Altersvorsorge angekommen bin. Da hat er aus meiner Sicht großen Bedarf und außerdem hat meine Führungskraft im letzten Meeting noch mal ganz klar dargestellt, wie weit abgeschlagen wir im aktuellen Vertriebsranking sind. Die Zeit ist wie im Flug vergangen, er hat aber auch wirklich viel gesprochen. Jetzt will er schon weiter, Mist, noch kein Produkt verkauft. Zumindest konnte ich mit ihm alle Felder des SFK durchgehen; das ist für mein Vertriebscontrolling am wichtigsten, sonst würde am Ende das Gespräch nicht für meine Aktivitäten zählen.

Leider geht er nicht auf die Vereinbarung eines Folgetermins ein, aber warum? Oh je, das wird kein angenehmes Gespräch mit meiner Führungskraft … Ich verabschiede mich höflich von ihm und hoffe, dass er bei meinem Anruf in ein paar Wochen doch auf einen Folgetermin eingeht.

Man könnte die Einzelerlebnisse noch viel weiter ausführen. Vor allem zwei Auffälligkeiten ergeben sich aber schon jetzt:

  • Augenhöhe fehlt– Erlebniswelt Kunde und Erlebniswelt Beraterin unterscheiden sich signifikant
  • emotional positives Erlebnis fehlt– Beim Kunden bleibt hängen „Interview“ und „heißes Büro“

Anhand dieser Beispielsituation erkennen Sie, wie wichtig es ist, Mitarbeiter nicht nur in der perfekten Verwaltung des Finanzkonzepts (z. B. Wie wird es erfasst? Wann ist es ein SFK-Gespräch? Wie erfolgt die Aktivitätenerfassung?) zu schulen, sondern viel mehr dafür zu sorgen, dass auch der Mitarbeiter ein emotional positives Erlebnis hat. In dem gewählten Beispiel erlebt die Mitarbeiterin vor allem unmotivierte Gespräche mit der Führungskraft, die mehr als „Kontrolle“ empfunden werden anstatt als „Weiterentwicklung und Unterstützung“.
Gleichzeitig hat die Mitarbeiterin bisher nicht gelernt, dass es gilt, sich nicht nur auf die Bedarfsfelder des SFK einzustellen, sondern viel mehr auf die emotionale Erlebniswelt des Kunden. Die zentrale Frage hierbei ist: Wie muss das Beratungsgespräch ablaufen, damit der Kunde sich willkommen fühlt und es für ihn mindestens einen Mehrwert hat? Häufig erlebe ich bei der Teilnahme an Vertriebsmeetings, dass dort alles andere als eine emotional positive Stimmung herrscht. Banalitäten werden ausgetauscht, Zielkarten vorgetragen, die jeder alleine lesen kann, Meetings laufen nach dem gleichen Schema ab wie schon seit Jahren, wenig Interaktion, gelangweilte Teilnehmer. Wie soll dadurch Freude am Vertrieb entstehen? Ein Beratungsgespräch ergibt nur dann Sinn, wenn der Kunde danach die Sparkasse schlauer verlässt, als er gekommen ist. Sonst war es – für beide Seiten – nichts weiter als verschwendete Lebenszeit.

Stellen Sie sich daher folgende Fragen:

  • Was tut die Sparkasse dafür, dass die Mitarbeiter positive emotionale Erlebnisse mit der Sparkasse und dem SFK haben?
  • Wie befähigen wir die Führungskraft dazu, Erlebnisse dieser Art auszulösen?
  • Kennen wir die „emotionale Erlebniswelt“ unserer Kunden und wie sorgen wir dafür, dieses Wissen durch Kundenprofile für die Mitarbeiter verfügbar zu machen?
  • Wie emotionalisieren wir Führung? Führung nicht durch „erklären“, sondern durch „erleben“.
  • Wie unterstützen wir die Mitarbeiter darin, sich empathisch auf Beratungsgespräche vorzubereiten und diese durchzuführen?
  • Was bedeutet dies für unser Trainings- und Coachingangebot?
  • Welche Unterstützungsleistungen der Verbundpartner entsprechen diesen Kriterien?

Hoffentlich ist die hier gewählte Situation für Ihre Sparkasse nur Fiktion und nicht Realität, damit Sie auch zukünftig am Markt existent sind. Gerne bin ich dabei an Ihrer Seite.

Über den Autor: Prof. Dr. Jürgen Weimann

Dr. Jürgen Weimann ist einer der führenden Managementberater für Zukunftsfähigkeit durch wirkungsvolle Führung und kompromisslose Kundenzentrierung mit Schwerpunkt im Sparkassen Consulting & Bank Beratung.

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