Inoffiziell ist das neue Offiziell: Stellen Sie den Flurfunk laut

Inoffiziell ist das neue offiziell Sparkasse

Kennen Sie die Wahrheiten und Geheimnisse, die fast jeder kennt, aber keiner ausspricht? Der Vorstandsvorsitzende, der als wankelmütig in seinen Entscheidungen gilt und fast täglich die Richtung ändert. Der Projektleiter für Digitalisierung, der ein analoger Dinosaurier ist. Die Führungskraft, die ihre Mitarbeiter wie den letzten Dreck behandelt. Meine These: Sparkassen verlieren bis zu 40% ihrer Produktivität durch diese gegenseitige Unehrlichkeit. Daher: Raus damit!   

Nicht nur Sparkassen vereinigen als Organisation zahlreiche Menschen und mit ihnen einen enorm großen Schatz an Erfahrungen und Gedanken. Nur wenigen gelingt es jedoch, diesen auch wirklich nutzbar zu machen. Ein paar Beispiele:

Der Vorstand hat erkannt, dass der aktuelle Umgang mit den Mitarbeitern nicht in die Zukunft führt. Es gilt daher, neue Führungsleitlinien und ein Leitbild zu entwickeln. Eine externe Unternehmensberatung wird beauftragt, viel Zeit und Geld werden investiert. Der Vorstandsvorsitzende verkündet das neue Leitbild, nach dem vor allem ein offener und wertschätzender Umgang ritualisiert werden soll. Dafür hat man einen Führungsprozess designt, in dem es regelmäßige Gespräche zwischen Mitarbeitern und Führungskräften geben soll. Einige Mitarbeiter denken dabei an ihre Führungskraft und daran, dass diese unfähig ist, Gespräche dieser Art zu führen und sie deshalb gar nicht erst führen wird. Der gesamte Aufwand für das neue Leitbild und die Führungsleitlinien wird daher für diesen Teil der Mitarbeiter zur Farce und für die Sparkasse zum betriebswirtschaftlichen Fiasko.

Ein neues Projekt wird ins Leben gerufen und ein Projektleiter ernannt. Ein Großteil der Beteiligten weiß: der ausgewählte Projektleiter hat bereits mehrere Projekte gegen die Wand gefahren, aber es gibt aktuell keinen anderen. Außerdem ist der Mitarbeiter doch im Multiprojektmanagement beschäftigt. Also Augen zu und durch.

Eine ungewöhnlich hohe Zahl von Mitarbeitern eines Bereichs verlässt die Sparkasse. Offiziell wollen diese sich alle persönlich verändern. Inoffiziell hört man, dass die Zusammenarbeit mit der betreffenden Führungskraft eine Zumutung ist. Es sind zwar nur noch wenige Jahre bis zur Verrentung, aber so lange möchte keiner der Mitarbeiter mehr die Zähne zusammenbeißen müssen.

Sie erkennen das Muster. Es geht um unausgesprochene und unbequeme Wahrheiten. Die größte Entwicklungschance liegt genau dort. Welche zusätzlichen Erträge würde Ihre Sparkasse generieren, wenn es gelänge, dieses vorhandene Wissen nutzbar zu machen? Welche massiven Kosten für externe Berater, Trainer, Coaches und vor allem wie viel verplemperte Zeit würden Sie sich sparen? Wie hoch wäre Ihr Betriebsergebnis bei einer Produktivitätssteigerung von 40%?

Doch warum sprechen wir Menschen so ungerne unangenehme Wahrheiten an? Aus meiner Sicht führen folgende Gründe zum kollektiven Schweigen:

  • Angst– Sorge vor den persönlichen Konsequenzen, die aus dem Aussprechen der Wahrheit resultieren
  • Erfahrung/Selbstwert– das Erleben der Vergangenheit, dass die ehrliche, persönliche Meinung entweder nicht interessiert, nicht relevant ist oder das vormalige Aussprechen der eigenen Meinung bereits negative Konsequenzen hatte
  • Innere Kündigung– dem Betreffenden ist es vollkommen egal, wie es der Sparkasse in der Zukunft gehen wird, weil er nur noch die Stunden/Tage/Monate/Jahre bis zum Ausstieg zählt
  • Gesichtswahrung/gefallen wollen – die Annahme, dass Offenheit oder konstruktive Kritik in der Sparkasse „nicht angebracht“ ist und es für die Karriere wichtig ist, möglichst vielen Menschen „zu gefallen“

Die Auflösung dieser vermeintlichen Hinderungsgründe beginnt dabei bei jedem Einzelnen. Der Mut eines Einzelnen kann die gesamte Sparkasse, mindestens jedoch das Leben einzelner Menschen verändern. Madonna Buder, bekannt als die „Eiserne Nonne“, ist die älteste Triathletin, die jemals einen Ironman beendet hat. Sie begann ihre sportliche Karriere mit 48 Jahren und ist heute 88 Jahre alt. Im November 2014 (mit 84) beendete sie den Ironman in Florida. Was hat Sie zu dieser Höchstleistung motiviert? Sie war übergewichtig und eines Tages sagte eine Mitschwester zu ihr: „Dein Körper ist die Kirche Gottes, Du verschmutzt und verdreckst diesen Ort täglich.“ Dieser eine Satz veränderte ihr komplettes Leben. Daher kann ich Ihnen nur raten: Schaffen Sie als Vorstand eine Kultur, die es Mitarbeitern ermöglicht, mutig zu sein und offen die Wachstumsfelder anzusprechen. Jede Veränderung beginnt bei einem selbst. Leben Sie also die Offenheit und Konstruktivität, die Sie sich von Ihren Mitarbeitern wünschen. Seien Sie die Führungskraft, die in Ihrem Leitbild und den Leitlinien beschrieben ist.

Die aktuelle, herausfordernde Marktsituation bietet nicht mehr lange die Möglichkeit, so viel Potenzial zur Weiterentwicklung der Organisation brachliegen zu lassen. Neben Ihrem persönlichen Vorleben sind Plattformen der Begegnung eine wunderbare Möglichkeit, diesen Austausch zu fördern; zum Beispiel ein monatlicher Chat mit dem Vorstand, an dem alle Mitarbeiter teilnehmen und alle Fragen oder Impulse loswerden können, die Sie bewegen. Eine andere Möglichkeit sind interne Workshops mit Mitarbeitern aus unterschiedlichen Bereichen, die von Führungskräften durchgeführt werden, die diese Mitarbeiter nicht führen. Es gilt, die Barrieren der Angst abzubauen. Wenn die Mitarbeiter erleben, dass das Aussprechen der bisher unausgesprochenen Wahrheiten nicht zu einer negativen Konsequenz führt, sondern honoriert und wertgeschätzt wird, wird Stück für Stück die gesamte Organisation mutiger. Dabei entstehen sicher meist keine angenehmen Situationen, niemand hört gerne unangenehme Wahrheiten, aber im Gegenzug ergeben sich aus dieser Vorgehensweise die größten Wachstumschancen.

Über den Autor: Prof. Dr. Jürgen Weimann

Dr. Jürgen Weimann ist einer der führenden Managementberater für Zukunftsfähigkeit durch wirkungsvolle Führung und kompromisslose Kundenzentrierung mit Schwerpunkt im Sparkassen Consulting & Bank Beratung.

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