Filialen – Sargnagel oder Chance?

(Artikel zuerst erschienen in der Sparkassen-Zeitung vom 08.03.2019)

Gefühlt ist alles geschrieben über das Für und Wider von Filialen. Doch die Meinungen und Vorgehensweisen der Sparkassen diesbezüglich sind höchst unterschiedlich.

Während einige in das verbleibende Filialnetz investieren, hat man bei anderen immer noch das Gefühl, der Filialbesuch ist mit einer Zeitreise verbunden. Doch Beispiele wie Kaufhof, Karstadt, Douglas oder Media Markt zeigen: Es geht nicht nur um den physischen Umbau der Filialen, sondern um ein komplett neu gedachtes Kundenerlebnis. Das Filialnetz ist und bleibt ein wichtiger Kontaktpunkt für die Sparkasse. Trotz zahlreicher Umwidmungen und Schließungen unterhalten alle Sparkassen noch umfangreiche Filialnetze. Oftmals führen auch politische Konstellationen dazu, dass die Filialnetze sogar noch zu umfangreich sind. In diesem Artikel möchte ich mich jedoch nicht der Effizienz des gesamten Geschäftsstellennetzes widmen, sondern den Fokus auf das Filialerlebnis legen.

Fast täglich finden sich neue Artikel über die Herausforderungen, die aktuell vor allem bei Geschäftsmodellen mit Filialansatz bestehen. So verkündete am 27. Januar der CEO von Kaufhof/Karstadt den Abbau von 2600 Stellen zur Sanierung des Unternehmens. Der Aktienwert der Trägergesellschaft Ceconomy AG der Marken Media Markt/Saturn hat sich binnen eines Jahres um 64 Prozent reduziert. Douglas kämpft mit einer Rabattaktion nach der anderen um die Gunst der Kunden. Die schlechten Zahlen werden häufig mit den „Herausforderungen des Online-Handels“ begründet, doch bei genauerer Betrachtung ist nicht nur der Online-Handel an der Misere schuld. Vielmehr wurden seit Jahren die Bedürfnisse und Wünsche der Kunden außer Acht gelassen. Egal, ob man bei Douglas, Kaufhof, Karstadt, Saturn oder Media Markt den Laden betritt, das Erlebnis lässt sich vereinfacht so zusammenfassen: viel Ware, meist unschön präsentiert, zu einem höheren Preis als online und von mäßig motivierten, schlecht auffindbaren Mitarbeitern verkauft.

Ansprechendes Interieur, freundliche Begrüßung

Warum sollte ein Kunde eine der Filialen der genannten Unternehmen betreten, wenn er von zu Hause mit einem Klick das gleiche Produkt, meist zu einem besseren Preis bestellen und in wenigen Tagen direkt an die Haustür geliefert bekommen kann? Der Gegenentwurf zu den Filialen der exemplarisch aufgeführten Unternehmen sind zum Beispiel die Läden der Marken Nespresso und Rituals. Nicht nur das Interieur ist hier sehr ansprechend, man wird zudem freundlich begrüßt, bekommt einen Kaffee oder Tee angeboten und merkt den Mitarbeitern an, dass sie Freude an ihrem Job haben. Der Besuch der Filiale wird daher von den meisten Kunden als Mehrwert statt Mehraufwand angesehen. Was haben diese Beispiele nun mit der Sparkasse zu tun?

Zum Konsum eines Produkts oder zur Nutzung einer Dienstleistung bewegen Kunden bis zu drei Motive: Zum einen der originäre Nutzen wie etwa die Wirtschaftlichkeit, also ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis, soziale Aspekte wie zum Beispiel Prestige und Identifikation, und zu guter Letzt emotionale Aspekte wie Freude und ein mgutes Gefühl nach dem Erlebnis. Stellt sich nun die Frage, wie die Sparkasse durch entsprechende Rahmenbedingungen für die Erfüllung dieser Motive sorgen kann. Natürlich spielt hier bereits die bauliche Gestaltung der Filialen eine Rolle, aber vor allem der Umgang der Mitarbeiter mit den Kunden. Nehmen wir als Beispiel die Namensänderung einer Frau aufgrund ihrer Heirat. Ausgehend davon, dass die Beispielkundin vor wenigen Tagen den Mann ihrer Träume geheiratet hat, kommt diese Kundin nun emotional aufgeladen in die Sparkasse.

Zeitreise? Verwaltungsakt? Kunde als Störfaktor?

Spielen Sie einfach mal selbst gedanklich durch, wie die Situation in ihrer Sparkasse ablaufen würde. Welchen Eindruck bekommt die Kundin beim Betreten der
Filiale – Zeitreise? Wohlfühlambiente? Wie begegnen ihr die Mitarbeiter – Emphatisch? Emotionslos? Wie wird sie den „Verwaltungsakt“ empfinden – Unkompliziert? Bürokratisch? Und was wird ihr Fazit sein – Wiederkommen? Nie wieder Filialbesuch? Anhand dieses Beispiels erkennen Sie: Es gilt, dem Kunden – im Übrigen nicht nur in der Filiale – ein einfaches, schnelles und vor allem persönliches Kundenerlebnis zu bieten. Damit dies gelingt, müssen die Mitarbeiter dem Kunden menschlich und empathisch begegnen. Als Kunde will man das Gefühl haben, willkommen zu sein und nicht wie ein „Störfaktor“ behandelt werden.

Gleichzeitig hat dies auch Implikationen auf die Beratungsqualität. nehmen wir das Beispiel einer Kontoeröffnung: Wird hier der Kunde bei Ihnen „willkommen geheißen“ und sind Sie dankbar für seine Entscheidung, oder scheint es aufgrund von Fragen wie „Haben Sie einen Termin? Haben Sie Ihren Ausweis dabei?“ eher, als sei der Kunde weder willkommen, noch die Sparkasse dankbar für seine Wahl der Sparkasse als sein zukünftiger Finanzdienstleister. Wenn der Besuch einer Filiale aus Kundensicht keinen Mehrwert bietet, dann ist es in der Tat Zeit, die Filialen zu schließen. Wenn Sie jedoch gewillt sind, ein paar Mühen auf sich zu nehmen, um dem Kunden wieder Mehrwert und ein durchweg positives Erlebnis in Ihrer Filiale zu bieten, dann haben Filialen noch eine Chance.

Über den Autor: Prof. Dr. Jürgen Weimann

Dr. Jürgen Weimann ist einer der führenden Managementberater für Zukunftsfähigkeit durch wirkungsvolle Führung und kompromisslose Kundenzentrierung mit Schwerpunkt im Sparkassen Consulting & Bank Beratung.

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