Hauptbetreuer ade

Hauptbetreuer Betreuung

Bei der Hamburger Sparkasse kann sich der Kunde künftig seinen Betreuer individuell aussuchen. Neben dem neuen Filialkonzept und vielen weiteren Maßnahmen ist dies ein weiterer Schritt in Richtung Kundenzentrierung. Bei den meisten anderen Sparkassen gilt das Hauptbetreuerprinzip: Jeder Kunde hat einen fest zugeordneten Ansprechpartner. Ein Verwaltungsprinzip, das es künftig aufzulösen gilt, denn nur so wird das gesamte Leistungsangebot für den Kunden nutzbar.

 Das Gesundheitssystem setzte früher sehr stark auf das sogenannte Hausarztprinzip. Der Patient ging bei allen gesundheitlichen Fragen zu seinem Hausarzt und dieser entschied, ob er selbst helfen konnte oder die Einbindung eines Spezialisten notwendig war. Der Gedanke war damals, dass an einem zentralen Punkt sämtliche Informationen über den Patienten zusammenlaufen und somit die Betreuung des Patienten ganzheitlicher erfolgen kann. Bei der heutigen freien Arztwahl und der Möglichkeit, selbstständig einen Spezialisten aufzusuchen, gerät dieses Prinzip immer mehr ins Hintertreffen. Bei Sparkassen ist es nicht anders. Jeder Kunde hat einen fest zugeordneten Ansprechpartner, womit gewährleistet sein soll, dass der Kunde in finanziellen Angelegenheiten einen Partner an seiner Seite hat. Dieses Prinzip wurde zu einer Zeit eingeführt, in der es noch üblich war, dass ein Mitarbeiter viele Jahre an derselben Stelle eingesetzt wurde. So konnten fast Freundschaften zur Sparkassenberaterin oder zum Sparkassenberater entstehen, weil man gemeinsam bereits die Kontoeröffnung, die Kontoumschreibung zur Hochzeit, die Absicherung fürs Alter und die Baufinanzierung erledigt hatte. Zusätzlich waren damals die IT-Systeme entweder noch gar nicht eingeführt oder noch nicht in der Lage, Informationen über den Kunden zu speichern. Das Wissen ob der finanziellen Wünsche des Kunden war nur im Kopf des jeweiligen Ansprechpartners verfügbar. Doch die Welt hat sich grundlegend verändert.

CRM-Systeme helfen die relevanten Kundeninformationen für alle Mitarbeiter nutzbar zu machen

CRM-Systeme bieten die Möglichkeit, die Wünsche des Kunden so in OSPlus zu erfassen, dass ein beliebig anderer Mitarbeiter ebenso darauf Zugriff hat. Die durchschnittliche Verweildauer der Mitarbeiter auf der gleichen Stelle hat sich deutlich verringert und so kommt es zu häufigen Betreuerwechseln. Die Mitteilung zur Vorstellung des neuen Ansprechpartners wird zur Farce, weil der Kunde oftmals den vorherigen Ansprechpartner nicht kannte. Somit ist die damals sehr kundenfreundlich gedachte Idee des Hauptbetreuerprinzips heute ein reiner Verwaltungsakt, der es ermöglicht, Zuständigkeiten zu regeln. Im IT-Berechtigungssystem weiß man, welcher Person in der Sparkasse man die Ereignisse zuweist, wen man anruft, wenn es Probleme gibt oder  – provokant formuliert – wo man den Kunden hinschickt, wenn es um einen Geschäftsvorfall geht, auf den man selbst keine Lust hat. Das von Kunden häufig gehörte „Kennen Sie schon Ihren Betreuer?“, meint meist eher: „Ich möchte Ihnen nicht helfen, soll sich Ihr Betreuer mal darum kümmern.“ Hintergrund für solche Verhaltensweisen ist nicht der böse Wille des Mitarbeiters, sondern die eigene Nutzenmaximierung, denn Vertriebserfolge zählen natürlich auch rein für den Hauptbetreuer. Somit würde eine exzellente Dienstleistung für einen „fremden“ Kunden zwar der Sparkasse, aber nicht dem eigenen Vertriebserfolg etwas bringen. Dadurch werden Kunden in zwei Klassen eingeteilt: Kunden, die der Vertriebseinheit zugeordnet sind, in der sie gerade mit ihrem Problem sind, und Kunden, die einer anderen Vertriebseinheit zugeordnet sind. Häufig verzögern sich dadurch Prozesse, weil der Kunde dann an den Hauptbetreuer verwiesen wird. Ein eigenes Beispiel zur Verdeutlichung: Meine Schwester hatte eine Frage zu einer Mitteilung zu Ihrem Investmentfonds, die ich nicht selbst beantworten konnte. Die erste Frage im KSC meiner Sparkasse: „Wer ist denn Ihr Betreuer?“ Ich sagte, dass meine Betreuerin, da sie den Fokus auf dem Firmenkundengeschäft hat, nicht die richtige Ansprechpartnerin für meine Frage ist. Ein Anlageexperte könne die Frage sicher ganz schnell beantworten. Leider war es nicht möglich, direkt mit einem der vielen Anlageberater zu sprechen. Meine Betreuerin wurde informiert, stellte die Verbindung zu einem Anlageexperten her, dieser rief mich zurück und beantwortete die Frage. Ein Akt, der nicht effizient für die Ressourcen der Sparkasse ist und für mich als Kunde ebenso kompliziert wie unbefriedigend war.Es ließen sich viele weitere Beispiele finden. Bei allen jedoch ist der Effekt gleich: Die Möglichkeiten der Sparkassen (Vielzahl an Filialen, Ansprechpartner, Zugangsweg) werden für den Kunden reduziert auf eine Person, nämlich den persönlichen Ansprechpartner. Daher ist der Schritt der Haspa ein Schritt in die richtige Richtung. Der Kunde entscheidet sich für seinen Ansprechpartner. Schluss mit unsinnigen Kundenüberleitungen im Rahmen von Kundensegmentierungen, die in den meisten Fällen nur zu Verwirrung als zu unternehmerischem Mehrwert führen.

Das reine Abschaffen endet im Chaos – vorbereitende Maßnahmen notwendig

Was im ersten Moment einfach klingt, setzt aber zahlreiche Schritte voraus. Denn ein reines Abschaffen des Hauptbetreuerprinzips endet eher im Chaos als im Mehrwert für den Kunden, vor allem die Führungskultur und das Steuerungssystem sind im Vorfeld stark zu hinterfragen. Dies ist ein wichtiger Schritt im Rahmen der veränderten Kundenanforderungen durch die Digitalisierung. Folgende Voraussetzungen für die Veränderung des Hauptbetreuerprinzips ergeben sich:

  • Kultur: eine Kultur des Miteinanders, alle Mitarbeiter kennen die Ziele der Sparkasse und verfolgen diese. Somit geht es nicht um die eigene Nutzenmaximierung, sondern um den Gesamterfolg der Sparkasse.
  • Führung: Führungskräfte, die ihre Mitarbeiter fördern und durch Vertrauen und Wertschätzung das Beste aus ihnen herausholen und die kein System benötigen, in dem es immer einen „Schuldigen“ gibt: den Hauptbetreuer.
  • Steuerungssysteme: Die alleinige Messung der Vertriebserfolge beim Hauptbetreuer ist nicht mehr zeitgemäß. Jede wertschöpfende Kundenaktivität – unabhängig, welcher Kategorie der Kunde zugeordnet ist – sollte einen Niederschlag finden, denn nur so ist für den Kunden das gesamte Leistungsspektrum der Sparkasse nutzbar.
  • CRM-System: Hinterlegung relevanter Kundeninformationen in OSPlus, damit allen Mitarbeitern dieselben Informationen zur Verfügung stehen. Es ist nicht mehr zeitgemäß, dass der Mitarbeiter in der Filiale nicht weiß, dass der Kunde bereits im KSC sein Problem geschildert hat und umgekehrt.

Wenn der Kunde, egal über welchen Zugangsweg, bei jedem Mitarbeiter stets in besten Händen ist und sich immer jemand verantwortlich für die Lösung des Kundenproblems fühlt, entsteht ein Kundenerlebnis, das zu Weiterempfehlung und Wiederkauf führt. Denken Sie an Ihre Erlebnisse bei anderen Dienstleistern! Als Kunde möchte man weder sein Problem mehrmals erklären müssen, noch lange auf eine Lösung warten. Heutige Führungsstrukturen und Steuerungssysteme in Sparkassen verhindern dies häufig. Hinterfragen Sie daher Ihr Vertriebssystem konsequent anhand von Kundenreisen, die Ihnen helfen zu erkennen, was Ihr Kunde beim Kontakt mit Ihrer Sparkasse erlebt.

Über den Autor: Prof. Dr. Jürgen Weimann

Dr. Jürgen Weimann ist einer der führenden Managementberater für Zukunftsfähigkeit durch wirkungsvolle Führung und kompromisslose Kundenzentrierung mit Schwerpunkt im Sparkassen Consulting & Bank Beratung.

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