Diskutieren Sie bitte über Potenziale statt über iPads

War es vor einem Jahr noch die Frage: „Krawatte – ja oder nein?“, steht aktuell in vielen Sparkassen die Diskussion „iPad – ja oder nein?“ im Zentrum der Aufmerksamkeit. Während fast alle Vorstände bereits seit Jahren iPads nutzen, wünschen sich nun zahlreiche Mitarbeiter auch eine zeitgemäße Arbeitsausstattung. Diese Diskussion spaltet die S-Finanzgruppe. Während es im einen Teil der Sparkassen überhaupt kein Thema ist, diskutiert der andere Teil leidenschaftlich die Sinnhaftigkeit von iPads für die tägliche Arbeit. Was für eine unnötige Zeitverschwendung, anstatt über Chancen im Kundengeschäft oder Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung über iPads zu diskutieren!

Die Digitalisierung verändert ununterbrochen unser tagtägliches Erleben. So ist es heute selbstverständlich, dass man seine E-Mails von unterwegs beantwortet oder von zu Hause aus arbeiten kann. Diese Realität ist für viele Sparkassen allerdings noch Zukunftsmusik. Mitarbeiter sind weder für Kunden noch für Kolleginnen und Kollegen erreichbar, nachdem sie die Sparkasse verlassen haben, und E-Mails können nur am Arbeitsplatz bearbeitet werden. Verstehen Sie mich nicht falsch. Mir geht es in diesem Artikel nicht darum, für eine 24/7 Arbeitswelt zu werben; vielmehr möchte ich daran appellieren, dem Einzelnen die Möglichkeit zu gewähren, zu arbeiten, wo und wann es demjenigen am besten auskommt. Das iPad ist hierbei nur ein Beispiel, wie eine neue Form des Arbeitens aussehen kann. Während ich früher Papierberge in einem Pilotenrollkoffer mit mir rumgeschleppt habe, reise ich heute mit meinem iPad und habe stets Zugriff auf alle benötigten Informationen. Die Realität in vielen Sparkassen sieht anders aus. Mitarbeiter sitzen in Besprechungen, machen sich Notizen auf einem Block und kehren dann zurück an den Arbeitsplatz, um die handschriftlichen Notizen am Computer in ein Protokoll zu übertragen. Mit einem iPad wäre dies in einem Arbeitsschritt möglich.Und das ist nur ein Beispiel dafür, warum die aktuelle Diskussion über iPads reine Zeitverschwendung ist. Dies begründe ich mit zwei Punkten:

1)     Geiz am Mitarbeiter führt zu Geiz am Kunden.

2)    Die Diskussion um die Sinnhaftigkeit von iPads kostet mehr als die Anschaffung.

Jede Sparkasse der Republik brüstet sich damit, dass ihr höchstes strategisches Ziel darin besteht, den Kunden in den Mittelpunkt zu stellen. In jeder Strategie finden sich Aussagen wie z. B. „Die Zufriedenheit unserer Kunden ist unser Ziel“. Blickt man jedoch in manche dieser Sparkassen, so hat man das Gefühl, dass nicht einmal die Mitarbeiter durch einfachste Mittel zufriedengestellt werden: Nur kaltes Wasser zum Händewaschen, Klo-Papier mit dem man Holz schmirgeln könnte, kein kostenfreies Wasser oder Kaffee und natürlich auch keine iPads. Es scheint, dass manche Vorstände glauben, sie könnten sich in die Zukunft „sparen“. Doch wie sollen die Mitarbeiter dann eine gewisse Positivität, Motivation und Zufriedenheit an den Kunden weitergeben können? Natürlich kenne ich die aktuellen GuV’s der Sparkassen und weiß von der betriebswirtschaftlichen Notwendigkeit, kosteneffizient zu sein. Genau deshalb weiß ich aber auch: der größte Kostenhebel liegt nicht nur bei den Sachkosten, sondern vor allen bei den Personalkosten. Hier gilt es, durch schlanke Prozesse und Abläufe perspektivisch mit weniger Mitarbeitern ein deutliches besseres Kundenerlebnis zu erzielen. Zurück zum Beispiel. Täglich erlebt der Mitarbeiter, der sich mit kaltem Wasser die Hände waschen muss, sein eigenes Trinkwasser an den Arbeitsplatz mitbringen muss, den puren Mangel. Unterbewusst entsteht der Eindruck „meinem Arbeitgeber geht es schlecht“. Gleichzeitig soll aber der gleiche Mitarbeiter dem Kunden gegenüber großzügig und verbindlich auftreten, oder innerhalb interner Abteilungen Lösungswege finden, das Kundenerlebnis zu verbessern. Glauben Sie, dass dieser Mitarbeiter die Anschaffung eines Tools vorschlagen würde, welches zwar eine langfristige Ertragswirkung für die Sparkasse erzielen würde, zunächst aber mit einer Investition verbunden wäre? Oder dass der Mitarbeiter im Vertrieb durch die Rückvergütung einer Gebühr ein Kundenerlebnis kreieren würde, welches dazu führt, dass diese sich durch aktive Weiterempfehlungen 1000fach amortisiert? Nein; intern wie extern wird um jeden Euro gefeilscht. Dabei wird aber vollkommen außer Acht gelassen, wie hoch die Opportunitätskosten für dieses Verhalten sind.Kunden erleben die Sparkasse als „bürokratisch“ und „unflexibel“, Mitarbeiter haben den gleichen Eindruck und die Vorstände wundern sich, warum Veränderungen immer so langsam vonstattengehen und das Betriebsergebnis nur die Abwärtsrichtung kennt. Im Übrigen gilt diese Sparmentalität meist nur für die Mitarbeiter, nur selten aber für die Vorstände selbst.

Zurück zum iPad: In den Instituten, in denen man förmlich um ein iPad kämpfen muss, wird es zum Objekt der Begierde. Aus einem Arbeitsmittel wird ein Statussymbol und die Diskussion dreht sich darum: „Warum hat XY ein iPad und ich nicht?“. Die Begründungen, warum jemand ein iPad benötigt, werden umso fadenscheiniger und scheinwissenschaftliche Amortisationsberechnungen werden angestellt, um zu beweisen, dass man ein iPad dringend benötigt. Doch betrachten wir das Ganze einmal sachlich (Prinzipdarstellung):

Kosten iPad Pro, 256 GB, Wifi+Cellular (UVP):           1.439€

Kosten Apple Pencil + Keyboard:                                       354€

Gesamtsumme inkl. MwSt.:                                              1.793€

Gesamtsumme exkl. MwSt.:                                             1.507€

Abschreibung des Gerätes auf 3 Jahre:                             403€

Steuerersparnis ang. Steuersatz 45%                             ca. 546€ (iPad) + 160€ (Zubehör)

Nettokosten p.a.                                                                 (1.507€ -546€-160€)/3 = 267€

Kosten pro Stunde bei AG+AN Kosten p.a. 75‘€           ca. 43€

Kosten pro Stunde bei AG+AN Kosten p.a. 100‘€         ca. 56€

Die Beispielrechnung zeigt: die leidenschaftliche Diskussion um ein Arbeitsmittel verbrennt mehr Geld, als das Arbeitsmittel selbst kosten würde. Diskutieren Sie lieber über Kundenpotenziale und wie diese gehoben werden können. Bei dieser Rechnung unberücksichtigt bleiben die motivierende Wirkung einer zeitgemäßen Arbeitsausstattung und die damit verbundene Steigerung der Arbeitseffizienz. Natürlich kann die Antwort nun nicht lauten „iPads für Alle“; eine Basisausstattung sieht für mich so aus: Alle Führungskräfte unterhalb des Vorstandes (Es sind zu viele? Dann ist Ihr Problem nicht das iPad.) + alle Immobilienmakler + Betreuungseinheiten. Bei allen anderen Mitarbeitern nur da, wo betriebswirtschaftlich ebenso sinnvoll – mit einer zielgerichteten und vor allem kurzen Diskussion.

Über den Autor: Prof. Dr. Jürgen Weimann

Dr. Jürgen Weimann ist einer der führenden Managementberater für Zukunftsfähigkeit durch wirkungsvolle Führung und kompromisslose Kundenzentrierung mit Schwerpunkt im Sparkassen Consulting & Bank Beratung.

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