{"id":4561,"date":"2020-03-05T18:31:09","date_gmt":"2020-03-05T17:31:09","guid":{"rendered":"https:\/\/juergenweimann.com\/neueseite2023\/?p=4561"},"modified":"2023-02-03T11:23:47","modified_gmt":"2023-02-03T10:23:47","slug":"ist-eine-variable-verguetung-noch-zeitgemaess","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/juergenweimann.com\/ist-eine-variable-verguetung-noch-zeitgemaess\/","title":{"rendered":"Ist eine variable Verg\u00fctung noch zeitgem\u00e4\u00df?"},"content":{"rendered":"
Vertriebsorganisationen haben variable Verg\u00fctungssysteme \u2013 je nach pers\u00f6nlicher Zielerreichung des Mitarbeiters, wird diesem einmal im Jahr eine Pr\u00e4mie ausgezahlt. Auf den ersten Blick eine gute Sache. In zahlreichen Sparkassen und Banken l\u00f6st dieses System jedoch vor allem zwei Dinge aus: Unzufriedenheit und Aufwand. Daher stellt sich die Frage: Ist eine variable Verg\u00fctung noch zeitgem\u00e4\u00df?<\/strong><\/p>\n Unz\u00e4hlige Ver\u00f6ffentlichungen haben sich bereits mit der Ausgestaltung oder Sinn- bzw. Unsinnhaftigkeit von variablen Verg\u00fctungsmodellen besch\u00e4ftigt. Die praktischen Ausgestaltungen k\u00f6nnten kaum heterogener sein. Von Punktesystemen, die je Produktkategorie unterschiedlich sind, \u00fcber sogenannte Ligamodelle, die Teams gegeneinander antreten lassen, bis hin zur \u201eGutsherren-Methode\u201c, bei der der Bonus schlicht vom Vorstand entschieden wird, sind zig Varianten im Einsatz. Ein paar Gemeinsamkeiten haben allerdings alle dieser Variationen:<\/p>\n Lassen Sie uns die Gemeinsamkeiten ein wenig n\u00e4her betrachten.<\/p>\n Um wie viel Prozent ist die Effektivit\u00e4t Ihrer Mitarbeiter h\u00f6her durch den Anreiz einer variablen Verg\u00fctung? Wie viele Produkte verkaufen Ihre Verk\u00e4ufer mehr? Fragen dieser Art sind f\u00fcr die meisten Organisationen nur schwer zu beantworten, meist fehlt die Evidenz \u00fcber tats\u00e4chliche Auswirkungen.<\/p>\n Ebenso wenig wird der Blickwinkel beleuchtet, wie viele Mitarbeiter durch dieses Verg\u00fctungsmodell frustrierter und somit unproduktiver sind. Aus meiner Sicht liegt hier vor allem ein Denkfehler in der Grundhaltung von variablen Verg\u00fctungssystemen zugrunde. Der Theorie X von Douglas McGregor folgend, geht die F\u00fchrungskraft davon aus, dass der Mitarbeiter in seiner Grundeinstellung faul ist und versucht, Arbeit so gut es geht zu vermeiden. Daher braucht er vermeintlich Au\u00dfeneinfl\u00fcsse wie z.B. Kontrolle durch die F\u00fchrungskraft oder einen finanziellen Anreiz, um seine Arbeitskraft auch wirklich im Sinne des Unternehmens umzusetzen. Man kann diese Denkweise vergleichen mit dem Karotten-Prinzip, bei dem der Esel nur dann vorangeht, wenn ihm als Anreiz eine M\u00f6hre vor die Nase gehalten wird. Doch ist dies in der Realit\u00e4t wirklich so? Sind Ihre Mitarbeiter faul und demotiviert?\u00a0 Bereits 2014 schrieb Reinhard Sprenger in seinem Buch \u201eMythos Motivation\u201c, dass Mitarbeiter sich nicht von au\u00dfen motivieren lassen. Motivation ist vielmehr eine aus dem Inneren kommende Haltung, die nur durch \u00e4u\u00dfere Umst\u00e4nde der Organisation verhindert werden kann. Somit solle der Managementfokus darauf liegen, Demotivation zu vermeiden.<\/p>\n Die Theorie Y unterstellt ein grunds\u00e4tzlich anderes Menschenbild: Menschen m\u00f6chten sich aktiv einbringen und mit ihrer Arbeitskraft wirken. Vereinfacht gesagt steht hier der Wert Vertrauen an oberster Stelle, w\u00e4hrend bei der ersten Theorie dem Mitarbeiter eher Misstrauen entgegengebracht wird. Macht somit ein rein nach quantitativen Faktoren erstelltes Verg\u00fctungsmodell den Mitarbeiter nicht zum \u201eEsel\u201c, der ohne die Karotte vor der Nase nicht bereit ist, sich einzubringen? Ganz zu schweigen von den vielen \u201eGrauzonenf\u00e4llen\u201c \u2013 z. B. der Mitarbeiter, der nach langer Krankheit zur\u00fcckkehrt und Vollgas gibt, aber aufgrund der langen Abwesenheit keine Chance mehr hat, die Jahresziele zu erreichen, oder der Mitarbeiter, dessen St\u00e4rken vor allem in der Unterst\u00fctzung des Teams liegen, bei dem quantitative Aspekte aber meist vollkommen unterrepr\u00e4sentiert sind. In diese Grauzone fallen h\u00e4ufig auch die Mitarbeiter in den St\u00e4ben und Marktfolgen; haben diese nicht auch zum Erfolg beigetragen?<\/p>\n Blickt man im Rahmen des Ressourcen-Allokations-Programms \u201ePARES kompakt\u201c auf die Zeiterfassung in der S-Finanzgruppe, so sind Vorst\u00e4nde regelm\u00e4\u00dfig geschockt, wie viele Ressourcen sich mit dem Controlling besch\u00e4ftigen.\u00a0Meist verbinden sie mit Controlling nur die Menschen, die in der entsprechenden Abteilung arbeiten \u2013 die Realit\u00e4t sieht aber erschreckend anders aus, fast die gesamte Organisation besch\u00e4ftigt sich damit. Variable Verg\u00fctungssysteme f\u00fchren zu einem nicht wertsch\u00f6pfenden Verwaltungsaufwand. Zun\u00e4chst muss der Vertriebsmitarbeiter alle seine Abschl\u00fcsse erfassen, h\u00e4ufig sogar in unterschiedlichen Systemen. Um auf Nummer sicher zu gehen, f\u00fchrt der Mitarbeiter auch noch eine eigene Statistik, um etwaige Unklarheiten oder nicht gewertete Erfolge auch sp\u00e4ter noch kl\u00e4ren und nachweisen zu k\u00f6nnen. Sollten dann Unstimmigkeiten zwischen der eigenen Statistik und dem erstellten Report auftreten, l\u00f6st dies endlose Diskussionen und manuelle Berichtigungen aus. Am Jahresende werden dann s\u00e4mtliche Zielerreichungen errechnet und anhand eines Verteilschl\u00fcssels die auszuzahlenden Betr\u00e4ge ermittelt. Viele von Ihnen kennen all diese und noch weitere Elemente. Ich behaupte, dass bei 95% der aktuell im Einsatz befindlichen variablen Verg\u00fctungssysteme der notwendige organisatorische Aufwand die auszusch\u00fcttende Summe um mindestens das Doppelte \u00fcberschreitet. Ein betriebswirtschaftlicher Totalschaden.<\/p>\n Die vorangegangenen Erl\u00e4uterungen zeigen: Die in erster Linie negativen Auswirkungen variabler Verg\u00fctungssysteme sind immens. Nun k\u00f6nnte man annehmen, dies alles nimmt man auf sich, weil die Betr\u00e4ge, die dann zur Aussch\u00fcttung kommen, so hoch sind, dass der Aufwand gerechtfertigt w\u00e4re. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. H\u00e4ufig liegen die auszusch\u00fcttenden Betr\u00e4ge zwischen 500 und 5000 \u20ac. Auf den ersten Blick viel Geld, doch im Verh\u00e4ltnis zum jeweiligen Jahresbruttogehalt der Mitarbeiter sind es meist weniger als 10% der Gesamtbez\u00fcge. Betrachtet man Direktvertriebe, so finden sich hier Menschen, die vor allem monet\u00e4r motiviert sind und es daher genie\u00dfen, im Einzelk\u00e4mpfertum die M\u00f6glichkeit einer schier unendlichen Verg\u00fctung zu haben. Doch gerade in Sparkassen und im weiteren Bankenbereich ist beides nicht gegeben. Zum einen arbeitet der rein geldmotivierte Einzelk\u00e4mpfer-Verk\u00e4ufer nicht bei der Sparkasse, zum anderen ist die M\u00f6glichkeit, \u201eunendlich viel zu verdienen\u201c hier schlicht nicht gegeben. Ganz im Gegenteil: Bei den meisten Systemen spielt es aus monet\u00e4rer Sicht fast keine Rolle, ob der Mitarbeiter 100% Zielerreichung oder 140% Zielerreichung hat. Nicht selten wird sogar schon ab 80% ausgesch\u00fcttet. Das ist nett gedacht, gleichzeitig aber absolut grotesk \u2013 oder w\u00fcrde die Lufthansa einem Piloten einen Bonus geben, wenn er neben der Landebahn landet?<\/p>\n Die motivatorische Wirkung ist fraglich, der Verwaltungsaufwand immens und die auszusch\u00fcttenden Betr\u00e4ge im Verh\u00e4ltnis zum Gesamtverdienst so \u00fcberschaubar, dass man teilweise fast nicht wirklich von einer variablen Verg\u00fctung sprechen kann. Doch was tun? Abschaffen oder ver\u00e4ndern? Das aus meiner Sicht sinnvollste Modell w\u00e4re die Abschaffung der variablen Verg\u00fctung in der jetzigen Ausf\u00fchrung und die Beteiligung aller Mitarbeiter am Unternehmenserfolg. Denn sollten sich Mitarbeiter in Ihrer Organisation befinden, die nicht zum Unternehmenserfolg beitragen, dann sollten Sie diesen schnellstm\u00f6glich k\u00fcndigen. Der Unternehmenserfolg ist eine Teamleistung aller, daher sollte man hierbei den Fokus nicht nur auf den Vertrieb legen.<\/p>\n Gleichwohl darf man bei dieser Empfehlung nicht au\u00dfer Acht lassen, dass jedes Institut eine ganz eigene Historie hat. Somit sind die Mitarbeiter unterschiedlich an das Verg\u00fctungsmodell gew\u00f6hnt. Eine einfache Abschaffung von jetzt auf gleich k\u00f6nnte daher zu einer noch gr\u00f6\u00dferen Demotivation f\u00fchren. \u00c4hnlich wie beim Rentensystem, wird es nie ein f\u00fcr alle faires Modell geben. Es gilt nun vor allem, das bestehende Verg\u00fctungsmodell zu hinterfragen. Die Teamleistung am besten einsch\u00e4tzen k\u00f6nnen, sollte die jeweilige F\u00fchrungskraft. Dies setzt allerdings voraus, dass Ihre F\u00fchrungskr\u00e4fte wirkliche F\u00fchrungskr\u00e4fte sind und nicht nur reine Verwalter (lesen Sie hierzu auch meinen Artikel \u201eHerbststurm f\u00fcr Ihre F\u00fchrungsriege<\/a>\u201c). Gleichzeitig spielt Ihre Unternehmenskultur eine gro\u00dfe Rolle. H\u00e4ufig werden Zielsysteme daf\u00fcr benutzt, Scheinquantifizierungen von Wunschvorstellungen des Managements vorzunehmen, was zum einen nichts bringt und zum anderen aus reiner Verzweiflung geboren wurde, da in Wahrheit Ihre F\u00fchrungskr\u00e4fte schlicht unf\u00e4hig sind (lesenswert hierzu: \u201eWas Ihre Zielfelder \u00fcber Ihr Unternehmen aussagen<\/a>\u201c). Was also tun?<\/p>\n Ich empfehle eine kurze Bestandsaufnahme, orientiert an folgenden Schritten:<\/p>\n Auf Basis dieser Erkenntnisse gilt es, das Verg\u00fctungsmodell dahingehend zu ver\u00e4ndern, dass au\u00dfergew\u00f6hnliche Teamleistungen belohnt werden, die \u201eNormalleistung\u201c jedoch durch die Fixverg\u00fctung direkt fair bezahlt wird. Denn aktuell ist die variable Verg\u00fctung nicht selten eine \u201eKr\u00fcckenl\u00f6sung\u201c.<\/p>\n<\/div>\n
Motivatorische Wirkung fraglich<\/strong><\/h2>\n
Hoher Verwaltungsaufwand<\/strong><\/h2>\n
Auszusch\u00fcttende Betr\u00e4ge<\/strong><\/h2>\n
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