Effektive Mitarbeiter-Gespräche » Das Geheimnis guter Führung

Die meisten Organisationen lieben Regelungen und Prozesse. Klare Verantwortungen, Abläufe und Schnittstellen sorgen für einen reibungslosen Geschäftsbetrieb. Ein Relikt aus der industriellen Revolution, bei der durch diese Prozessualisierung ein großer Innovationsschub ausgelöst wurde. Führung bedeutet, am Menschen zu dienen; so unterschiedlich jeder Einzelne ist, so unterschiedlich sind die Ansätze, um die Weiterentwicklung der Mitarbeiter zu fördern. Häufig werden hier aber ebenso standardisierte Prozesse eingesetzt wie zu Zeiten der Industrialisierung. Mit verheerenden Folgen.

Blicke ich in den Sparkassensektor, dann ist Führung in vielen Instituten stark formalisiert. Es gibt konkrete Vorgaben, wie häufig eine Führungskraft in welcher Form mit den Mitarbeitern in Kontakt treten soll. In der Regel finden wöchentliche Einzelgespräche und monatliche Teamgespräche statt. Auf den ersten Blick erscheint dieser Ansatz sehr gut, da er der Führung Bedeutung einräumt und den Führungskräften klar macht: „Sprich mit den Mitarbeitern“.

In der Praxis führt er aber häufig zu Gesprächen, die „wie am Fließband“ abgearbeitet werden. Die Individualität am Menschen geht dabei vollkommen verloren. Es gibt vorgefertigte Agenden, die jede Woche mit jedem Mitarbeiter „runtergebetet“ werden. Viel Zeit wird investiert, mit häufig sogar eher negativer Wirkung. Mitarbeiter empfinden die Gespräche nicht als Mehrwert, die Führungskräfte fühlen sich durch dieses enge Korsett an Gesprächsterminen gehetzt, im Ergebnis wird viel gesprochen, doch nur wenig bewirkt.

Der Mitarbeiter muss im Fokus stehen –  nicht das Gespräch

Lassen Sie uns einen Schritt zurückgehen, um zu versuchen, möglichst neutral auf diese Situation zu blicken. Führung bedeutet für mich, das innewohnende Potenzial der anvertrauten Menschen zu fördern und für das Unternehmen gewinnbringend einzusetzen. Somit sind Führungsgespräche vor allem Entwicklungsgespräche. Menschen sollten aus einem Gespräch „größer“ rausgehen, als sie reingegangen sind. Vor allem das Vertrauen und die Neugierde der Führungskraft sorgen dafür, dass aus einem Gespräch Erkenntnisse resultieren, die der Mitarbeiter alleine nicht gehabt hätte.

Nur so ist Führung wirklich wirksam und wertschöpfend für das Unternehmen. Alles andere ist nur vertane Zeit. Um diese Wirkung zu entfalten, ist es notwendig, den Einzelnen in den Fokus des Gesprächs zu stellen. Heutzutage ist jedoch vielmals das Gespräch selbst im Fokus („Ich muss einmal die Woche einen Jour fixe machen“). Es gilt daher, den Fokus vom Gespräch auf den Menschen zu drehen. Aus diesem Blickwinkeltausch resultieren dann wiederum weitere Notwendigkeiten.

Führung kann nicht nach Schema ablaufen

Steht der Einzelne im Mittelpunkt, braucht die Führungskraft die Möglichkeit zur spezifischen Vorbereitung. Diese bedarf Zeit und somit auch wieder einer Planung der Prioritäten. Zusätzlich benötigt jeder Mitarbeitende eine andere „Dosis“ an Führung. Auch hier sind fixe Zielvorgaben, wie viele Gespräche zu führen, kontraproduktiv. Die Entscheidung über den Gesprächsrhythmus sollte hierbei – eine fähige Führungskraft vorausgesetzt – alleinig bei dieser selbst liegen. Manche Mitarbeiter empfinden vielleicht ein wöchentliches Gespräch als Mehrwert, andere als Gängelung, da es sich für sie viel eher nach einem Abhalten von der Arbeit anfühlt.

Häufig versucht die Organisation durch strenge Formalisierung und enge Vorgaben das Symptom zu behandeln, dass Führung im Unternehmen zu wenig gelebt wird. Dabei muss hier zunächst nach der Ursache geforscht werden. Und diese ist häufig: unfähige Führungskräfte. Hierzu empfehle ich meinen Artikel „Herbststurm“. Blicken Sie daher mal kritisch auf Ihre im Einsatz befindlichen Instrumente und Vorgaben. Sind wirklich alle Elemente des Führungsprozesses notwendig? Wie könnten stattdessen Mindestvorgaben aussehen?

Natürlich ist ein regelmäßiger Austausch zwischen Führungskraft und Mitarbeitern unerlässlich. Hier empfehle ich einen Mindestkontakt von einmal im Monat. Gerade bei Teams, die auf verschiedene Standorte verteilt sind, ist dies eine Herausforderung für Führungskräfte. Gleichzeitig gilt es, die eigene Arbeitsweise zu hinterfragen: Wie kann es gelingen, dass jedes Gespräch vorbereitet stattfindet? Was wäre aus Sicht des Mitarbeiters der ideale Zeitpunkt für ein solches Gespräch? Auch hier gibt es große Unterschiede. Schon ein ungünstig gewählter Zeitpunkt kann dazu führen, dass der Mitarbeiter sich nicht so in das Gespräch einbringt, wie wenn es zu einem Zeitpunkt stattfinden würde, an dem er in seiner vollen Kraft steht.

Vielleicht denken Sie nun, dass dies die Planung ganz schön komplex macht – ja, absolut. Gleichzeitig sollten Sie aber sehen: Bei Führung geht es nicht um Sie und Ihre Vorlieben, sondern um Ihr Gegenüber. Je mehr es Ihnen gelingt, sich auf die individuelle Person einzustellen, desto wirkungsvoller und somit wertschöpfender für das Unternehmen ist Ihre Führung. Probieren Sie es aus.

Über den Autor: Prof. Dr. Jürgen Weimann

Dr. Jürgen Weimann ist einer der führenden Managementberater für Zukunftsfähigkeit durch wirkungsvolle Führung und kompromisslose Kundenzentrierung mit Schwerpunkt im Sparkassen Consulting & Bank Beratung.

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