Was Sparkassen und Genossenschaftsbanken unter Vertrieb verstehen, hat nichts mit Vertrieb zu tun
Zahlreiche Institute beschäftigen sich aktuell mit ihrer Vertriebsstrategie der Zukunft. Es sollen Maßnahmen ergriffen werden, die die Institute zukunftsweisend ausrichten. Aktuell steht das Geschäftsmodell so sehr unter Druck, wie selten zuvor. Die anhaltende Niedrigzinsphase und das veränderte Kundenverhalten sorgen für sinkende Erträge. Ein aktiver und vor allem erfolgreicher Vertrieb kann durch drei Worte beschrieben werden: Aktivität, Kundenfokus, Spaß! Eine Kombination, die nur Wenigen gelingt. Eine Suche nach Ursachen.
Wenn ich an erfolgreiche Vertriebssysteme in Deutschland denke, so fällt mir z.B. sofort die Würth Gruppe und Vorwerk ein. Beide Unternehmen haben es nachhaltig geschafft, jedes Jahr hohe Wachstumsraten zu erzielen und neue Kunden zu gewinnen. Der „Drive“ mit dem hier am Kunden agiert wird, unterscheidet sich massiv von dem der meisten Banken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Unterschiede zum Finanzwesen lassen sich vor allem anhand von vier Punkten festmachen:
- Einstellung der Mitarbeiter – ein Großteil der heutigen Mitarbeiter hat keinen Spaß an Vertrieb und ist somit dafür ungeeignet
- Kultur – zahlreichen Instituten mangelt es an einer Erfolgskultur
- Herangehensweise – Kunde 3.0 soll mit Maßnahmen des Vertriebs 1.0 begeistert werden
- Rahmenbedingungen – gewählte Rahmenbedingungen blockieren den Vertrieb
Lassen Sie uns im Folgenden die einzelnen Punkte näher betrachten.
EINSTELLUNG DER MITARBEITER
Blickt man ein wenig zurück, so kommt die Bankenwelt aus einer sehr komfortablen Vergangenheit, die Zinsen auf Bankseite waren niedrig und auf Kundenseite hoch, von der Differenz ließ es sich mehr als üppig leben. Der Kunde kam mit seinen Wünschen, diese wurden freundlich erfüllt, fertig. Aktiver Vertrieb war schlicht nicht notwendig, da die Ertragssituation beachtlich war. Die aktuelle Marktsituation erfordert jedoch eine komplett andere Herangehensweise. Zum einen kommen die Kunden nicht mehr wie früher einfach in die Filialen, zum anderen werden dringend Provisionserlöse benötigt, um die sinkende Erlöse aus dem Zinsgeschäft zu kompensieren. Sparkassen und Genossenschaftsbanken sind besonders stolz darauf, eine niedrige Fluktuation im Mitarbeiterbestand zu haben. Bei der früheren Personalauswahl wurde aber vor allem Wert auf Fähigkeiten wie z.B. buchhalterische Fähigkeiten, die für die heutigen Rahmenbedingungen nicht mehr notwendig sind. Eigenschaften die für Vertrieb relevant sind, wie z.B. Eine besondere Freude im Umgang mit Menschen, Resilienz im Umgang mit Ablehnung und eine hohe Eigenmotivation, spielten keine oder nur eine stark untergeordnete Rolle. Doch die meisten der damals eingestellten Mitarbeiter sind heute noch Mitarbeiter der Institute. Die Veränderungen die die Institute in den vergangenen Jahren durchlaufen haben, wird von dieser Art von Mitarbeitern meist als „Belastung“ empfunden, zu groß ist der Wunsch, dass einfach mal ein Jahr folgt, bei dem keine neuen Maßnahmen oder Projekte angestoßen werden. Nur wenigen Häusern ist es bisher gelungen, einen Großteil Ihrer Belegschaft in die Gegenwart zu führen. Hieraus erwächst eine Kultur, die erfolgreichen Vertrieb schwierig macht. Denn Vertrieb ist kein 9-17 Uhr Job, den man einfach abarbeitet, sondern verbunden mit einer Leidenschaft für Menschen, die man voller Freude lebt. Die zentrale Frage ist daher:Wie kann der Anteil der erfolgshungrigen Mitarbeiter erhöht werden?
KULTUR
Den kulturellen Unterschied zu einer Vertriebsorganisation möchte ich Ihnen anhand meines persönlichen Erlebens erläutern: Damals, als ich von einer Großbank zu einer Sparkasse wechselte, erlebte ich vor allem drei wesentliche Unterschiede. Zum einen waren die Vertriebsziele deutlich niedriger, was ich zuvor alleine erreichen sollte, verteilte sich bei der Sparkasse auf das gesamte Team der Filiale (5 Menschen). Zum anderen wurde mir inständig beigebracht, das wichtigste ist immer zu wissen, wer der Schuldige eines Fehlers war. Dies führte soweit, dass bei einer einzelnen Umbuchung bis zu drei Menschen involviert waren.
Für mich überraschend war, dass meine Kollegen die Vertriebsziele als „Druck“ und große Belastung empfanden. Ich hingegen empfand es umgekehrt, da ich wusste, dass diese Ziele ohne große Anstrengung erreichbar sind. Eine Haltung dieser Art machte mich nicht sonderlich beliebt bei meinen Kollegen, da ich nicht in den Chor „die Ziele sind unrealistisch“ einstimmte. Anstatt das neue Teammitglied dafür zu nutzen, um erfolgreicher zu werden, indem man Erfolgsstrategien austauscht, entstand Neid. Dies gipfelte in einem Gespräch mit meinem damaligen Filialeiter, der mich darum bat „ein wenig vom Gas zu gehen, denn das demotiviere die anderen Mitarbeiter.“ Ich möchte nun nicht mein persönliches Erleben zum Standard in allen Instituten erheben, doch meine Projekterfahrung zeigt, dass solche oder ähnliche Situationen auch heute noch entstehen, wenn z.B. Mitarbeiter von Verkaufsschulungen in ihr Team zurückkehren. Oder es wird die Vergütung eines freien Vermittlers gedeckelt, „da es ja nicht sein kann“, dass jemand so viel verdient, der keine Führungskraft ist. In einem anderen Fall bekommt der erfolgreichste Verkäufer im Team, noch einen Aufschlag auf die Ziele, da die anderen eben nicht so gut sind und er doch sicher für das Team einstehen möchte. Fragen Sie sich daher kritisch: Wie fördern wir eine Kultur, die den Erfolg des Einzelnen fördert und nicht einschränkt?
HERANGEHENSWEISE
Mailings die sich an den Schwerpunkten der bundesweiten Werbung orientieren, aber nicht am Kundenbedarf. Vertriebskampagnen, die zum x-ten Mal die Kunden enthält, die eine höhere Summe auf dem Girokonto haben. Die Aufzählung ließe sich noch weiter verlängern. Im Gegensatz dazu erlebt der Kunde Werbung anderer Dienstleister auf Facebook, die genau seinen Bedürfnissen und Leidenschaften entsprechen. Dies hat zur Folge, dass der Kunde den Eindruck gewinnt, sein Finanzpartner kennt ihn nicht wirklich, ein Vorteil den vor allem die Sparkassen und Genossenschaftsbanken immer propagieren. Gleichzeitig sinkt die Aufmerksamkeit des Kunden für zukünftige Maßnahmen, da er gelernt hat, dass die Ansprachen / Mailings nur sehr selten etwas mit seinen konkreten Wünschen zu tun haben. Erfolgreiche Vertriebsorganisationen emotionalisieren Ihre Ansprachen, z.B. anhand der Zahlungsverkehrsdaten könnte man viel spezifischere Kampagnen und Ansprachen machen. Doch nur wenige Institute nutzen diese Möglichkeit. Datenschutzrechtliche Bedenken werden hierfür immer strapaziert. Doch andere Dienstleister holen sich einfach das Einverständnis des Kunden, wozu ein Großteil der Kunden auch bereit ist, wie die Erfolgszahlen von den Finanz- und Analyseapps zeigen. Hinzu kommt vor allem bei telefonischen Ansprachen, dass zahlreiche Institute Ihre Filialmitarbeiter Outbound-Aktivitäten durchführen lassen.
Doch wer ist denn realistisch um 17 Uhr erreichbar, wenn er nicht Rentner oder Mitarbeiter eines Finanzinstituts ist? Erfolgversprechende Adressen werden somit nicht nutzbar, da eine Einbindung von professionellen Cal-Center-Agents fehlt und zu nicht relevanten Zeiten telefoniert wird. Häufigster Grund hierfür sind die Überkapazitäten, die für Wertschöpfung genutzt werden sollen, doch mit Telefonie ist dies nicht erreichbar. Blickt man auf den persönlichen Berater, so hat dieser meist keinerlei Überblick über die sonstigen Aktivitäten des Kunden, kann keine eigenen Selektionen fahren, um z.B. Kunden zu identifizieren, die er schon lange nicht mehr angesprochen hat etc. Die Eigenverantwortung des Vertriebs wird somit verlagert auf das Vertriebsmanagement, welches die perfekte Ausrede bietet, weil das Spiel: „Wir würden ja Vertrieb machen, aber die Kampagnen sind ja so schlecht“ in einer Endlosschleife abläuft. Orientiert an erfolgreichen Vertriebsorganisationen bedeutet dies für Sparkassen und Genossenschaftsbanken:
- Fokus auf den Kundenbedarf – Angleichung der aktuell vernetzten Lebenswelt des Kunden, mit dem Erleben im Kontakt mit dem Institut
- Stärkung der dezentralen Verantwortung – der Betreuer steht für den Vertriebserfolg in vollem Umfang ein, das Vertriebsmanagement nimmt nur eine unterstützende Rolle ein
- Einbindung von aktuellen Vertriebsformen – z.B. Nutzung von Google AdWords, Kampagnen unter Nutzung von Zahlungsverkehrsdaten, Angebot von Webinaren, Outbound-Aktivitäten durch Profis
RAHMENBEDINGUNGEN
Hier möchte ich vor allem auf das Vertriebscontrolling eingehen. Die aktuellen Steuerungssysteme führen dazu, dass Kunden eine schlechtere Betreuung erfahren. Dadurch, dass der Kunde einen festen Betreuer hat, dieser eine eigene Zielkarte, ist für den Kunden das Filialsystem, welches als Hauptunterscheidungsmerkmal gegenüber Wettbewerbern propagiert wird, schlicht nicht nutzbar. Der Individualkunde bekommt in der Filiale seiner Wahl zu hören, dass er sich an seinen Betreuer wenden soll. Ähnlich geht es dem Privatkunden, der eine Filiale in der Nähe seines Arbeitsplatzes aufsucht, während sein Hauptbetreuer in einer Filiale am Wohnort sitzt. Diese Vorgehensweise ist nicht zeitgemäß und konterkariert eine wesentliche USP der Filialbanken, nämlich die zahlreichen Kontaktwege. Ziel muss es hier sein, jeden Mitarbeiter für den Kunden ansprechbar zu machen.
Blickt man auf die mit dem Vertriebscontrolling verbundenen Leistungsanreizsysteme, so bewegt sich die durchschnittliche variable Vergütung bei den meisten Instituten auf sehr niedrigem Niveau. Eine Nichterreichung von Zielen schmerzt nicht besonders, eine Erreichung von Zielen führt aber gleichzeitig auch nicht zu einem unglaublichen Mehrwert. Die häufigste Ursache hierfür ist, dass viele Institute möglichst vielen Mitarbeiter eine variable Vergütung zukommen lassen wollen. Dies ist zwar ein ehrenwerter Ansatz, führt aber zu Gleichmacherei und Demotivation der erfolgreichen Vertriebler. Zusätzlich sind die Leistungsanreize auch im 4. Quartal noch mal alles zu geben, bedeutend geringer, wenn man bereits seine Ziele erreicht hat. Ich empfehle hier eine grundlegende Überarbeitung des Vertriebscontrollings und der Leistungsanreize, z.B. keine Ausschüttung an Mitarbeiter mit einer Zielerreichung unter 100%, auch nicht anteilig und somit eine höhere Dotierung von wirklicher Vertriebskraft. Denn wenn der Sinn von Zielvergabe nicht ist, das Ziel zu 100% zu erreichen, lohnt sich der Aufwand der Zielvergabe nicht und man sollte lieber ohne jegliche Ziele arbeiten. Ein Ziel ohne Konsequenz ist kein Ziel. Eine weitere erschwerende Rahmenbedingung ist die mangelnde Transparenz über Kundenereignisse, da kein CRM-System im Einsatz ist. Kunden sind daher gezwungen Ihre Bedürfnisse mehrmals zu erzählen und zielgerichtete Ansprachen können nicht stattfinden. Daher ist die zentrale Frage: Welche Rahmenbedingungen sind für erfolgreichen Vertrieb notwendig?
Die Ausführungen zeigen, die Maßnahmen zur Vertriebsstrategie der Zukunft zwar sinnhaft sind und in die richtige Richtung führen. Nachhaltigen Erfolg können diese aber nur entfalten, wenn es gelingt im gesamten Institut den „vertrieblichen Geist“ zu wecken. Dies betrifft im übrigen nicht nur die originären Vertriebsmitarbeiter, sondern alle Mitarbeiter, denn alle Mitarbeiter sind im Dienste des Kunden engagiert.
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