Was die Anzahl der Zielfelder über Ihre Führung aussagt

In der Praxis finden sich unzählige Varianten von Zielsystemen. Vor allem im Vertrieb sind Zielkarten nicht wegzudenken. Die im Einsatz befindlichen Zielsysteme könnten nicht vielfältiger sein, denn sowohl von der Anzahl der Zielfelder, der Berechnungslogik und der strategischen Schwerpunkte unterscheiden sich die Zielsysteme grundlegend. (Dieser Artikel erschien am 20.09.2017 im Vertriebsmanager)

Von fünf bis über 40 Zielfelder gibt es alle Varianten am Markt. Doch wie sinnvoll ist das und was sagt die Anzahl der Zielfelder über Ihre Führungskultur aus? Könnten Sie sich Sportereignissen vorstellen, ohne eine Leistungsmessung? Fußball ohne das Zählen von Toren, Leichtathletik ohne die Abnahme von Zeit- oder Maßeinheiten?

Im Vertrieb ist es genauso: Ohne die Messung der Verkaufsergebnisse ist wirklicher Vertrieb nicht denkbar. Ziele sollen den Mitarbeitern Motivation und Orientierung zugleich geben, damit diese sich wertschöpfend „für das große Ganze einsetzen“, nämlich die Erreichung der strategisch gesetzten Ziele, und gleichzeitig sollen sie Transparenz darüber schaffen, wie die aktuelle Zielerreichung ist. Weiterhin dienen sie auch der jeweiligen Führungskraft, die individuellen Stärken und Schwächen von Mitarbeitern zu erkennen und somit die Mitarbeiter zielgerichtet zu unterstützen und zu entwickeln. Soweit die Theorie. In der Praxis erfüllen Ziele häufig noch weitere Funktionen, zum Beispiel die Bestimmung der variablen Gehaltsanteile oder zur Ermittlung von Ranglisten von besonders erfolgreichen Verkäufern. Die schlimmste Funktion ist jedoch, wenn das Zielsystem eine spezifische, am individuellen Bedarf des Mitarbeiters ausgerichtete Führung ersetzen soll. Bei Projektbegleitungen ist einer meiner ersten Schritte, das Zielsystem näher zu analysieren. Dabei zeigt meine Erfahrung: Je mehr Zielfelder die Mitarbeiter auf ihrer Zielkarte haben, desto schlechter ist die Führungskultur der jeweiligen Organisation.

EIN ZIEL ZUM AUSWENDIG LERNEN

Nicht selten erlebe ich Zielsysteme, die ich mit dem Wissen aus über 100 Projekten, einem wirtschaftswissenschaftlichen Studium und langer Berufserfahrung erst nach dem zweiten oder dritten Überlegen verstehe. Fraglich, wie gut so ein System einen Berufsanfänger unterstützt … oder ob es nicht eher zu Irritation und vor allem Frustration führt. Kein Mensch kann sich über 40 Zielfelder merken, diese im Rahmen seiner Tätigkeit gewichten und somit so handeln, dass diese Zielfelder erreicht werden.

Vereinfacht ausgedrückt, ein Ziel, welches man nicht auswendig wiedergeben kann, kann man nicht erreichen, weil es im täglichen Handeln keinerlei Rolle spielt. Warum agieren dann zahlreiche Organisationen trotzdem so und haben ein Zielsystem aufgebaut, welches viel zu komplex ist?

KOMPLEXE SYSTEME BEREITEN PROBLEME

Die Suche nach den Ursachen ist schwer und leicht zugleich, wenn allen Menschen in der Organisation klar ist, was die spezifische Aufgabe ist und welche Erwartungen des Managements an den Einzelnen bestehen, dann bräuchte man gar keine Ziele, denn es herrschte auf allen Ebenen Klarheit. Doch die Realität sieht anders aus: Nur wenigen Mitarbeitern ist das große Ganze – das Warum des Unternehmens – klar. Nur wenige kennen die Jahresziele und deren Auswirkungen sowie den spezifischen Ergebnisbeitrag, den sie leisten müssen, um diese Ziele zu erreichen. Dieses Vakuum sollen Ziele heilen.

Doch je komplexer das System wird, desto schwieriger ist es für alle Beteiligten:

  • Mitarbeiter: Er versteht weder die Zusammenhänge, noch die Auswirkungen, die die einzelnen Zielfelder auf die Unternehmensgesamtzielerreichung haben. Gleichzeitig wird viel Zeit damit verbracht, Wirkungsweisen zu verstehen und die Richtigkeit der Zahlen zu hinterfragen.
  • Führungskraft: Sie wendet aus den gleichen Gründen viel Zeit auf, um die Hintergründe des Zielsystems gegenüber der nächsthöheren Führungskraft zu rechtfertigen.
  • Stabsabteilungen: Diese wenden viel Zeit auf, ein immer komplexer werdendes System zu verwalten und zu administrieren.

Das Ergebnis ist frustrierend für alle Beteiligten, denn viel wertvolle Zeit geht verloren und der Output, der für die Organisation daraus generiert wird, ist höchst negativ. Aber dennoch handeln alle Beteiligten nach bestem Wissen und Gewissen.

NUTZEN DURCH EINFACHHEIT

Eine der Hauptursachen ist in der Führung zu suchen. Weil im Tagesgeschäft Einzelmaßnahmen oder Ziele nicht klar sind, die Führungskraft sich nicht intensiv genug mit dem Mitarbeiter beschäftigt oder sich aufgrund zu vieler „Zeitdiebe“ nicht mit ihm beschäftigen kann, soll das Zielsystem diese Klarheit liefern. Doch kein System der Welt, sei es auch noch so ausgefeilt, kann die menschliche Kommunikation ersetzen, die dazu führt, dass Mitarbeiter verstehen, welche Aufgabe sie beim Erreichen der Unternehmensziele übernehmen.

Einen wirklichen Nutzen stiftet ein Zielsystem nur, wenn es einfach ist, von allen Mitarbeitern verstanden wird und im täglichen Handeln präsent ist, da es nur wenige Kennzahlen enthält und für die Führungskräfte ein wertvolles Instrument für die wertschätzende Begleitung der Mitarbeiter ist. Alle anderen Varianten sind nicht mehr zeitgemäß und schaden mehr, als sie nutzen.

Daher nutzen Sie die nun kommende Jahresplanung 2018 dafür, den Nutzen jeder einzelnen Kennzahl Ihres bestehenden Zielsystems kritisch zu hinterfragen und mit einem wirklich einfachen Zielsystem, das Orientierung, Motivation und Mehrwert liefert in das Vertriebsjahr 2018 zu starten.

Über den Autor: Prof. Dr. Jürgen Weimann

Dr. Jürgen Weimann ist einer der führenden Managementberater für Zukunftsfähigkeit durch wirkungsvolle Führung und kompromisslose Kundenzentrierung mit Schwerpunkt im Sparkassen Consulting & Bank Beratung.

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