Warum Employer Branding meist nicht funktioniert

Zahlreiche Institute im Finanzsektor beschäftigt aktuell dieselbe Frage: Wie können wir leistungsstarke Fachkräfte gewinnen? Fast verzweifelt werden Menschen gesucht, die Lust haben, Teil einer Sparkasse oder Bank zu werden – teilweise mit Kopfprämien bis 7.000 €. Menschen für ein Institut zu gewinnen, ist schwer; sie zu halten ebenso. Die Lösung sollen Employer-Branding-Maßnahmen liefern, doch dies erweist sich häufig als Trugschluss.

Im Rahmen einer Fachtagung zu New Work in der S-Finanzgruppe stellte mir ein Teilnehmer nach meinem Vortrag die Frage: „Wir benötigen dringend Mitarbeitende. Also haben wir ein Employer-Branding-Projekt ins Leben gerufen, um uns als moderne, innovative Sparkasse zu positionieren. Doch leider sagen einige Interessierte bereits nach dem Vorstellungsgespräch ab oder kündigen innerhalb der Probezeit. Was können wir tun?“ Meine verkürzte Antwort: „Geben Sie nicht vor, eine moderne und innovative Sparkasse zu sein, sondern seien Sie es!“

An diesem kurzen Dialog wird deutlich, woran die meisten Maßnahmen zur Arbeitgeberattraktivität scheitern. Es soll etwas glänzend dargestellt werden, was aber in Wahrheit nicht glänzt. Vergleichen wir es mit anderen Lebensbereichen: Wie erfolgreich ist der Verkauf eines alten, rostigen und nur minder fahrbereiten Autos, indem man Fotos retuschiert, Angaben in der Anzeige bewusst weglässt oder zu positiv darstellt? Oder wie erfolgreich ist die Online-Partnersuche mit nicht aktuellen Bildern und vermeintlich positiven Eigenschaften, die man in Wahrheit nicht besitzt? So klar uns in diesen Beispielen die Antworten sind, so sehr ähneln sie 95 % der Employer-Branding-Projekte. Das vermeintlich moderne und innovative Finanzinstitut wird dann im Vorstellungsgespräch von Vertretern aus Personalabteilung, Personalrat, Gleichstellungsrat – nicht selten im Verhältnis 5:1 – vertreten, die allein durch ihre Fragen ein vergangenes Zeitalter repräsentieren. Oder in den ersten Arbeitswochen sprechen das Design der Büros und deren Arbeitsausstattung Bände. Oder der erste Kontakt mit der Führungskraft lässt ein Führungsverständnis aus einer längst vergangenen Zeit vermuten.

Bereits in den ersten Kontakten mit einem potenziellen Arbeitgeber merkt man, welche Unternehmenskultur wohl vorherrschen könnte. Wie erhalte ich Feedback auf meine Bewerbung? Wie schnell ist die Reaktionszeit? Wie läuft das Vorstellungsgespräch ab? Wie laufen die Vertrags- und Gehaltsverhandlungen? Wir sehen an diesen Beispielen: Es gibt ganz viele – einzeln betrachtet sehr kleine – Momente, die zu Unstimmigkeiten führen können und somit zum Verlust einer potenziellen neuen Mitarbeiterin oder eines neuen Mitarbeiters.

Anstatt sich mit Employer-Branding-Projekten aufzuhalten, sollte man sich daher eine viel tiefer liegende Frage stellen: Wie werden wir ein modernder Arbeitgeber? Die Antworten auf diese Frage sind vielfältig und durchaus auch aufwändig in der Umsetzung. Man dringt bis zur eigenen Unternehmens-DNA vor und es werden weitere Fragen aufgeworfen, wie z. B.: Wie sieht unsere Aufbaustruktur aus? Wie treffen wir Entscheidungen? Was ist unser Verständnis von Führung? Welches Menschenbild prägt uns? Welche Werte sind uns wichtig? Es geht schlicht darum, eine wirklich moderne Sparkasse oder ein modernes Finanzinstitut zu werden und sich nicht mit kosmetischen Maßnahmen aufzuhalten, die am Ende nichts als Frust bringen. Nur so gewinnen Sie Talente und vor allem begeistern Sie die Talente, die Sie bereits gewonnen haben.

Über den Autor: Prof. Dr. Jürgen Weimann

Dr. Jürgen Weimann ist einer der führenden Managementberater für Zukunftsfähigkeit durch wirkungsvolle Führung und kompromisslose Kundenzentrierung mit Schwerpunkt im Sparkassen Consulting & Bank Beratung.

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