Warum die meisten Strategieklausuren nicht in die Zukunft führen

In fast keinem Unternehmen gibt es sie nicht: Strategieklausuren. Die höchstrangigen Führungskräfte treffen sich für einen oder mehrere Tage und diskutieren über die Herausforderung der Zukunft. Wenn es in fast allen Unternehmen Strategieklausuren gibt, woran liegt es dann, dass in nur ganz wenigen Unternehmen die Mitarbeiter klar artikulieren können, was die konkrete Strategie ist? Woran die meisten Strategieklausuren scheitern.

Das Jahr 2017 ist erst wenige Wochen alt. Welche Herausforderungen ergeben sich aufgrund der aktuellen Marktgegebenheiten? Welche Stärken gilt es mindestens zu halten oder auszubauen und welche Schwächen möglichst zu verbessern? Welche strategischen Ziele gilt es zu erreichen? Die Antworten für solche und ähnliche Fragen sollten aus der Strategieklausur kommen. Häufig im 3. Oder 4. Quartal werden die strategischen Eckpunkte in vielen Unternehmen diskutiert. Das Vorgehen ist sehr unterschiedlich, vom eintägigen Workshop im Unternehmen, bis hin zum Wochenende auf Mallorca oder in einem Kloster finden sich verschiedenste Formate. Auch wenn manche Management-Ratgeber z.B. von „Management-Retreats“ oder „Strategie-Reviews“ sprechen, es sind und bleiben Treffen der obersten Führungskräfte, um über die aktuelle Situation des Unternehmens, das Marktumfeld und dessen Auswirkungen auf das Geschäftsmodell zu diskutieren. Im Kern geht es um die Definition der wesentlichen strategischen Eckpfeiler für das kommende und die darauffolgenden Jahre. Strategieklausuren stammen aus einer Zeit, in dem die Lehre der strategischen Unternehmensführung noch nicht von solch volatilen Märkten ausgegangen ist. Märkte waren besser planbar, der globale Wettbewerb und somit die Drehgeschwindigkeit von Geschäftsmodellen niedriger. Damals konnte man noch ruhigen Gewissens 5-Jahres und teilweise 10-Jahres-Pläne machen. Zeiträume die aus heutiger Sicht nicht planbar sind, zu wenig lassen sich z.B. die Auswirkungen der Digitalisierung und des daraus resultierenden geänderten Kundenverhaltens vorhersehen. Bereits morgen kann ein Wettbewerber am Markt auftreten und sämtliche Planungen ad absurdum führen. Dennoch finden jährlich in fast allen Unternehmen Strategieklausuren statt. Ich unterscheide drei Arten von Strategieklausuren:

„Pro-Forma-Klausuren“: Der Vorstand / die Geschäftsführung hat ein klares Bild von der strategischen Ausrichtung des Unternehmens, es soll aber der Eindruck entstehen, dass die Meinung der oberen Führungskräfte Relevanz hat. Sie sollen sich eingebunden fühlen, daher ist das Ziel der Klausur möglichst schnell -mittels gemeinschaftlichen Nickens- durch die Agenda zu kommen.

„Spaß-Klausuren“: Diese Form der Klausur ist meist schon anhand des Veranstaltungsortes identifizierbar. Im Vordergrund steht weniger der fachliche Austausch, oder die strategische Ausrichtung, vielmehr steht das kulinarische Programm im Vordergrund.

„Strategieklausuren“: Es wird ein gemeinsames und vor allem emotionales Zielbild formuliert (Woran erkennen wir, dass der Zustand erreicht ist? Wie fühlt sich der neue Zustand an? Was sagen unsere Mitarbeiter? Was erleben unsere Kunden?) und Handlungsfelder zur Erreichung definiert. Die nächsten Schritte und Aufgaben sind klar und verbindlich vereinbart.

Die ersten beiden Formen können zwar in manchen Situationen sogar sinnvoll sein, haben aber mit dem Gedanken einer wirklichen Strategieklausur nichts zu tun. Die dritte Variante kommt in der Praxis nur selten vor und scheitert oftmals an folgenden Punkten:

  • Vorbereitung – Die Teilnehmer sind inhaltlich nicht vorbereitet bzw. es herrschen zu große Unterschiede in der Vorbereitung (mangels klarer Orientierung im Vorfeld).
  • Diskussionskultur – Diskussionen erfolgen entweder zu sehr in der Gegenwart, in der Vergangenheit, im Detail oder bezogen auf Ressorts / Bereiche. Die Moderation wird aus dem Teilnehmerkreis übernommen, dadurch fehlt eine Stimme, da entweder moderiert oder teilgenommen werden kann. Gleichzeitig werden wichtige Fragen nicht gestellt, da man niemanden zu nahetreten möchte.
  • Zielbild – Aufgaben sind teilweise bis ins kleinste Detail ausformuliert, gleichzeitig fehlt aber ein emotionales Zielbild, an dem sich die Mitarbeiter orientieren können. Die Strategie und vor allem die Auswirkungen auf das Tagesgeschäft bleiben somit für die meisten Mitarbeiter und selbst für die Teilnehmer der Klausur diffus.
  • betriebswirtschaftliche Auswirkungen – Der unternehmerische Mehrwert der Strategie wird entweder nicht formuliert oder nicht quantifiziert. Wirkungszusammenhänge sind daher weitestgehend unbekannt.
  • Dokumentation / Nachhaltigkeit – Dokumentationen sind zu umfangreich und folgen zu spät auf die Durchführung der Klausur. Ergebnisse versanden im Tagesgeschäft, weil keine Verbindlichkeit besteht und weil kein Mitarbeiter ein 40-seitiges Protokoll lesen will.
  • Ablauf – Tagesablauf setzt falsche Impulse, der erste Tag der Klausur, an dem alle Teilnehmer energetisch auf der Höhe sind, wird mit „niederschmettern“ (z.B. aktuelle Zahlen, Marktsituation) verbracht, wenn alle Teilnehmer das Gefühl verinnerlicht haben, wie schlecht alles läuft, erfolgt der Aufruf zum „kreativ“ sein.
  • Teilnehmer – Teilnehmerkreis ist zu groß oder zu klein gewählt, eine passive Teilnahme, ohne aktiven Beitrag an der Diskussion wird akzeptiert.

Strategieklausuren sind eine sinnvolle und notwendige Möglichkeit das Geschäftsmodell durch strategische Maßnahmen in die Zukunft zu führen. Damit dies aber gelingt ist es notwendig, dass jeder Einzelne seinen Beitrag leistet und der Fokus nicht auf „Formwahrung“ sondern auf „Ergebnissen“ liegt. Nicht die Anzahl der in der Strategieklausur definierten Aufgaben ist ein verlässlicher Indikator dafür, ob die Klausur erfolgreich war, sondern mit welchem klaren Zielbild die Teilnehmer in die Organisation zurückkehren und wie es ihnen dadurch gelingt die strategische Ausrichtung den Mitarbeitern zu vermitteln. Die dafür notwendigen Aufgaben und vor allem Handlungen folgen dann fast automatisch. Wenn diese Disziplin nicht vorhanden ist, dann ist die Strategieklausur nicht mehr als ein sehr teures, beruflich motiviertes Treffen, ohne dabei einen unternehmerischen Mehrwert für das Unternehmen zu erzielen.

Über den Autor: Prof. Dr. Jürgen Weimann

Dr. Jürgen Weimann ist einer der führenden Managementberater für Zukunftsfähigkeit durch wirkungsvolle Führung und kompromisslose Kundenzentrierung mit Schwerpunkt im Sparkassen Consulting & Bank Beratung.

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