Wachsen oder Sterben – Welchen Zustand hat Ihre Sparkasse?

Die Natur kennt nur zwei Zustände; entweder etwas wächst, oder es stirbt. Wie geht es Ihrer Sparkasse? Sprechen Sie mehr von Risiken, Einsparungsnotwendigkeiten, Konsolidierung oder sprechen Sie mit Ihren Mitarbeitern über Wachstumschancen, Aufbruch und neue Wege zum Kunden? Unabhängig davon, welche Form von Gesprächen Sie bei Begegnungsplattformen wie z. B. Vorstandssitzungen, Personalversammlungen oder persönlichen Treffen führen, eines ist sicher: Sie haben enorme Auswirkungen.

Zu Beginn einer Zusammenarbeit führe ich viele Gespräche mit Vorständen, Führungskräften und Mitarbeitern in Sparkassen. Ziel dieser Gespräche ist es, die Denkweisen, Kultur, Arbeitsweisen und Rituale der jeweiligen Sparkasse kennenzulernen. Nur so ist es mir möglich, ein wenig „Kulturluft“ der Sparkasse zu atmen und ganz spezifische Unterstützung anbieten zu können. Bereits nach wenigen Gesprächen erkenne ich dabei, ob in der Sparkasse eine Kultur des Mangels oder eine Kultur der Fülle herrscht. Mangelkulturen lassen sich u. a. daran erkennen, dass die Gespräche von Misstrauen, Suche nach Schuldigen, Diskussionen um Sinnhaftigkeit, Zuständigkeiten oder Ressort- Abteilungsdenke geprägt sind. Kulturen der Fülle sind gekennzeichnet durch z. B. Freude an der Arbeit, Miteinander, Vertrauen, Entschlossenheit, Übernahme von Verantwortung, dem Blick nach vorne, Zukunftsvisionen, der Suche nach Wachstumsfeldern und einem Blick auf das Positive. In welcher dieser Sparkassen würden Sie lieber arbeiten? Und welche dieser Sparkassen wird zukünftig betriebswirtschaftlich erfolgreicher sein?

Sollten Sie glauben, dass diese Kulturen keinerlei Auswirkungen auf die betriebswirtschaftliche Situation eines Unternehmens haben, dann möchte ich Sie anhand eines Beispiels inspirieren, Ihre Denkweise zu hinterfragen: Ein Kunde ruft in der Sparkasse an und berichtet verärgert von einer Abbuchung von 0,70 € von seinem Konto, verursacht durch die Zusendung seiner nicht abgeholten Kontoauszüge.

Reaktion Sparkasse des Mangels:

„Die Abbuchung resultiert aus der Zusendung der Auszüge. Sie müssen die Auszüge mindestens einmal innerhalb einer Frist von 6 Wochen abholen, um künftige Belastungen zu verhindern.“ Auch weitere Rückfragen des Kunden werden immer wieder mit Argumenten der gleichen Art, „wir wollen Recht haben“ erwidert. So lange, bis der Kunde aufgibt zu fragen.

Reaktion Sparkasse der Fülle:

„Es tut mir leid, dass Sie wegen dieser Abbuchung verwundert sind. Diese resultiert aus der Zusendung Ihrer Auszüge, weil Sie diese innerhalb von 6 Wochen nicht selbst geholt haben. Unser Ziel als Sparkasse ist es nicht, Sie zu verwundern, sondern, dass Sie gerne unser Kunde sind, daher vergüte ich Ihnen diese 1,45 € gerne zurück. Gleichzeitig empfehle ich Ihnen, um eine zukünftige Abbuchung zu vermeiden, eine Zustellung Ihrer Kontoauszüge in Ihr elektronisches Postfach. Dadurch können Sie Ihre Auszüge jederzeit online abrufen und gleichzeitig werden diese für Sie dort archiviert. Soll ich die Umstellung gleich vornehmen?

Sie merken, das Kundenerlebnis ist im Falle der Fülle signifikant besser. Vielleicht führt es im zweiten Beispiel vielleicht sogar dazu, dass der Kunde von diesem Erlebnis seinen Freunden und Bekannten berichtet. Es gibt nun einen Anteil meiner Leser, die trotz des Beispiels sinngemäß denken: „Da könnte ja jeder kommen, wo kommen wir denn da hin, wenn wir alles machen, was die Kunden wollen.“ Das stimmt. Wenn Sie alles machen würden, was Ihre Kunden verlangen, könnte dies schnell zum betriebswirtschaftlichen Chaos führen. Das ist nicht das Ziel meines Artikels. Lassen Sie uns daher einmal hinter die Denk- und Entscheidungsprozesse des Mitarbeiters aus der Sparkasse des Mangels bzw. der Fülle blicken.

Wenn der Mitarbeiter in jedem Meeting, bei jeder Veranstaltung, in jedem Mitarbeitergespräch die ganze Zeit das Gefühl der Bedrohung, „Uns geht es schlecht.“, „Wir müssen sparen.“ etc. empfindet, dann führt dies eher nicht dazu, dass Kunden durch diesen Mitarbeiter begeistert werden, sondern genau zum Gegenteil. Menschen möchten mit ihrem Handeln Gutes tun und der Fokus dieses Mitarbeiters liegt eben dann genau auf dem Mangel; somit diskutiert er lieber 20 Minuten um 0,70 € Portogebühren, nur um Recht zu behalten und für das Geld der Sparkasse zu kämpfen. Dabei ist gar kein Kampf notwendig, denn der Kunde ist kein Feind. Gleichzeitig verliert der Mitarbeiter den betriebswirtschaftlichen Blick darauf, dass die 20 Minuten Diskussion viel teurer als 0,70 € waren. Zusätzlich bleibt ein sicher nicht begeisterter Kunde zurück.

Ähnliche Auswirkungen hat dies auf Vertriebsgespräche, interne Runden und Projektsitzungen. In Sparkassen, in denen eine Sprache des Mangels herrscht, sind interne Runden auch nicht von „Chancensuchern“, sondern von „Zweiflern“ geprägt. Nicht die beste Lösung, oder? Die Chance steht nicht im Vordergrund der Gespräche, sondern es werden Zweifel und Standpunkte, warum der Vorschlag niemals funktionieren wird, vorgetragen. In Vertriebsgesprächen werden nicht die Gründe gesucht, warum der Kunde sein Geld lieber bei der Volksbank deponiert, sondern gleich angenommen, der Kunde sei ein „Rosinenpicker“ – und solche Kunden will man ja schließlich sowieso nicht haben. Kunden mit Finanzierungswunsch werden eher als „Pleite“ gesehen und Gründe gesucht, warum die Finanzierung abzulehnen ist. Vielmehr könnten Mitarbeiter aber Chancen erkennen, höhere, mit guten Bonitäten versehene, Engagements gewinnen. Oder sie könnten bei Kreditablehnungen zumindest nicht Gründe aufführen, warum der Finanzierungsanfrage nicht gefolgt werden kann, sondern Gründe nennen, unter denen eine Finanzierungszusage stattfinden würde.

Daher achten Sie auf Ihre Sprache in internen Mitteilungen, Vorträgen auf Personalversammlungen, Gesprächen mit Mitarbeitern etc. „Brandbriefe“ oder „Brandsprache“ führen nicht zu Freude, Flow und Begeisterung, sondern zu Angst. Aus Angst und Sorge lässt sich wenig bewegen. Daher wundern Sie sich nicht, warum Ihre Mitarbeiter so wenig bewegen und dauernd nach Gründen suchen, warum Dinge nicht funktionieren, statt freudig Chancen zu ergreifen. Ändern Sie in diesem Fall Ihre Art und Weise zu sprechen.

Ja, es ist eine herausfordernde Situation für Sparkassen und ja, die Situation wird nicht besser, sondern signifikant schlechter. Ja, das Geschäftsmodell von Sparkassen ist nicht mehr zeitgemäß, aber ebenso JA, es gibt die Chance auf Zukunft.

Natürlich unter anderen Rahmenbedingungen als heute, weniger Mitarbeitern und insgesamt kosteneffizienter, aber es gibt Felder, in denen noch viel Wachstumspotenzial vorhanden ist, wie z. B. in der Altersvorsorge oder dem strukturieren Vermögensaufbau. Diese Chancen gilt es durch einen Kulturwandel wahrzunehmen, damit Kunden bei jeglichem Kontakt spüren, dass Sie bei der Sparkasse willkommen sind und daher gerne Geschäfte mit der Sparkasse machen. Denn jeder Mensch möchte gerne Teil eines wachsenden Unternehmens sein und nicht Teil eines Unternehmens, welches stirbt. Das betrifft Kunden und Mitarbeiter gleichermaßen.

Über den Autor: Prof. Dr. Jürgen Weimann

Dr. Jürgen Weimann ist einer der führenden Managementberater für Zukunftsfähigkeit durch wirkungsvolle Führung und kompromisslose Kundenzentrierung mit Schwerpunkt im Sparkassen Consulting & Bank Beratung.

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