Vorstandssitzungen – Tribunal oder Wertschöpfung?

Verhalten Vorstand in Sparkassen

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Wenn stunden- oder tagelang um Worte gerungen, Sätze geschliffen und Folien hin- und hergedreht werden, ohne dass eine Verwaltungsratssitzung ansteht – dann gilt es, eine Präsentation in der Vorstandssitzung zu halten. Viele Vorstände von Sparkassen sind sich nicht bewusst, wie viel Produktivität allein im Vorfeld durch die vorbereitenden Tätigkeiten verloren geht. Fragen Sie sich selbstkritisch: Ist unsere Vorstandssitzung eher ein Tribunal, oder entsteht hier echte Wertschöpfung, indem das Potenzial der Organisation weiter entfaltet wird? Freuen sich Ihre Mitarbeiter über einen aktiven Part in der Sitzung, oder bedeutet es eher Stress für sie? Vorstandssitzungen neu gedacht.

Wie häufig steht jemand mit einem Flipchart in Ihrer Vorstandssitzung? Wie häufig diskutieren Sie zu 80 Prozent fertiggestellte Gedankenskizzen? Viele der Vorstände, die von einer „digitalen Sparkasse“ und „Agilität in der Organisation“ sprechen, beantworten diese Fragen dessen ungeachtet mit „nie“ oder „selten“. In einer idealen Welt besteht der Sparkassen-Vorstand aus Visionären, die es verstehen, Menschen zu begeistern. Die Führungskräfte sind „gestandene“ Persönlichkeiten und verfügen über die Fähigkeit, zum einen strategisch zu denken und zum anderen die ihnen anvertrauten Menschen zu Höchstleistungen anzuspornen. Gemeinsam mit den Mitarbeitern geben alle täglich ihr Bestes, um – getragen von einer großen Vision – für die Kunden der Finanzpartner Nummer eins zu sein. Im Optimum entspricht die Realität dem Idealbild, meist liegt sie aber irgendwo darunter. Natürlich muss man die in der Vorstandssitzung diskutierten Inhalte differenzieren. Thematisiert man eine Anlage im Depot A oder regulatorische Maßnahmen, so gilt es vor allem, Entscheidungen zu treffen. Bei der Diskussion von Projektergebnissen oder Vorschlägen zur Weiterentwicklung der Sparkasse geht es vor allem darum, den für die Sparkasse sinnvollsten Weg einzuschlagen.

Für diesen Artikel sei eine Sparkasse angenommen, in der alle Mitglieder des Vorstands mindestens ein professionelles und emotional unbelastetes Verhältnis zueinander haben, ohne dass Ego-Probleme konstruktive Entscheidungen zusätzlich erschweren. Die klassische Sparkasse ist nach dem Top-down-Prinzip organisiert: Je schwerwiegender die Entscheidung, desto weiter oben in der Hierarchie wird sie getroffen. Daher sind die Führungskräfte der Engpass für die Entscheidungen mit großer Tragweite, vor allem der Vorstand. Meistens laufen dessen Sitzungen nach folgendem Schema ab: Es gibt eine Agenda, zu jedem der Themen wird eine Unterlage – meist eine Beschlussvorlage mit einer Präsentation – erstellt, und bei größeren Entscheidungen werden die für die Vorlage verantwortlichen Mitarbeiter zur Präsentation in die Sitzung eingebunden. In den Wochen vor der Sitzung ist eine Vielzahl an Mitarbeitern damit beschäftigt, die entsprechenden Unterlagen zu erstellen und abzustimmen. Gerade vor richtungsweisenden Projektentscheidungen kann dies zu Nachtschichten für Mitarbeiter und Externe führen. Und das, obwohl die meisten Beteiligten frei über ihr jeweiliges Thema sprechen könnten. Am Tag der Sitzung ist alleine die Atmosphäre im Raum durch die Größe des Zimmers und die imposante Sitzordnung, vor allem für Mitarbeiter, die zum ersten Mal in diesem Rahmen präsentieren, Ehrfurcht gebietend. Ergebnisse werden vorgebracht, diskutiert und dann „der Daumen nach oben oder nach unten gehalten“, bevor es zum nächsten Thema geht. Durch diese Vorgehensweise entstehen folgende Nachteile:

  • Konsenslösungen vs. Ringen um die beste Lösung– die dem Vorstand vorgelegten Ergebnisse wurden meist so lange durchgekaut, dass wirklich alle zustimmen, somit schaffen es „revolutionäre“ Vorschläge gar nicht erst in die Sitzung. In vielen Fällen ist die konsensfähige Lösung nicht die beste.
  • Verschwendung von Kapazitäten – für die Vorbereitung der Vorstandssitzung wird meist extrem viel Zeit aufgewandt. Bei einer negativen Entscheidung des Vorstands sogar vergeblich, da die gefertigten Beschlussvorlagen und Präsentationen keine Verwendung mehr finden.
  • Negatives Bild des Vorstands in der Organisation– das Erlebnis, welches der Projektleiter oder Mitarbeiter aus der Vorstandssitzung mitnimmt, prägt sein Bild, seine Meinung und sein weiteres Verhalten. Überlegen Sie sich daher, welches Verhalten Sie sich von ihren Mitarbeitern wünschen, und leiten Sie daraus ab, was diese dafür in der Vorstandssitzung erleben sollten.

Im Kern geht es bei den Entscheidungen in der Vorstandssitzung doch darum, die Sparkasse erfolgreicher zu machen. Ein Ziel, welches alle Mitarbeiter vereinen sollte. Daher: Stoppen Sie die Erwachsenenspiele auf Kindergartenniveau!

Ein paar Fragen zur Inspiration für mehr „Flow“ in der Vorstandssitzung:

  • Wozu werden Fotoprotokolle abgeschrieben, anstatt mit Flipchart die Gedanken des Projektteams zu diskutieren?
  • Wie könnten Sie alleine durch die Raumgestaltung für eine motivierende Arbeits- statt einer Tribunal-Atmosphäre sorgen?
  • Braucht es wirklich ausformulierte Beschlüsse im Vorfeld – reicht nicht ein Kurzbriefing auf maximal einer DIN-A4-Seite?
  • Befragen Sie Ihr Controlling mal, wie viel Geld Sie bei externer Begleitung allein für die Vorbereitung und Durchführung von Vorstandssitzungen ausgegeben haben – steht das für Sie in einem gesunden Verhältnis zum Ergebnis?
  • Wann haben Sie Ihre Mitarbeiter zuletzt ermutigt, mit einer imperfekten Lösung aufzuwarten?
  • Ist Ihre Rolle in der Vorstandssitzung die des „Cäsars“, oder möchten Sie gemeinsam mit den Mitarbeitern den besten Vorschlag für Ihre Sparkasse entwickeln? Wie verhalten sich die anderen Vorstandsmitglieder?
  • Mit welchem Gefühl verlässt Ihr Mitarbeiter wohl die Vorstandssitzung? Was würde er über das Erlebnis heute Abend seiner wichtigsten Vertrauensperson erzählen? Ist das die Geschichte, die Sie von Ihrer Sparkasse vermitteln wollen?
  • Was von Ihrer Unternehmensvision – Leitbild, Strategie, Führungswerte – ist in der Sitzung spürbar?

Ich kenne bereits heute Sparkassen, deren Vorstandssitzungen durch intensive, konstruktive Gespräche geprägt sind, ohne Rechthaberei-Diskussionen, stattdessen immer mit dem Ziel, die Sparkasse für Kunden und Mitarbeiter ein Stück besser zu machen. Es sollten noch viel mehr werden. Lassen Sie uns gerne gemeinsam überlegen, wie Ihre neue Vorstandssitzung aussehen könnte.

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Über den Autor: Prof. Dr. Jürgen Weimann

Dr. Jürgen Weimann ist einer der führenden Managementberater für Zukunftsfähigkeit durch wirkungsvolle Führung und kompromisslose Kundenzentrierung mit Schwerpunkt im Sparkassen Consulting & Bank Beratung.

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