Vorstand als Vorbild – vorleben statt vorbeten

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Was verstehen Sie unter Führung? Für mich bedeutet Führung vor allem Dienst am Menschen. Die Menschen in Ihrem Team, Ihrer Abteilung, Ihrem Bereich, Ihrem Ressort sind Ihnen anvertraut und Ihre Aufgabe ist es, diese zu einem höheren Selbst zu entwickeln, als sie vielleicht selbst als möglich ansehen. Denn nur dann macht Führung „groß“ und nicht „klein“. Leider erlebe ich häufig Gegenteiliges: Führung wird als Kontrolle, „Kleinmachen“, Gängelung und ohne Mehrwert wahrgenommen. Führung der neuen Generation bedeutet, sich vom Paradigma „An mich berichten x Menschen“ zum Paradigma „Ich arbeite für x Menschen“ zu entwickeln.

Wir befinden uns bei der Jahresauftaktveranstaltung einer fiktiven Sparkasse. Ziel der Veranstaltung ist es, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf das neue Jahr „einzuschwören“. Auch dieses Jahr wird mit zahlreichen Herausforderungen gespickt sein; die Vorzeichen aus der Prognose lassen hohe betriebswirtschaftliche Hürden erkennen. Der Vorstandsvorsitzende hält – wie jedes Jahr – die Eröffnungsrede, eine Folie nach der anderen. Solche Art Folien, die man bereits ab Reihe 5 nicht mehr lesen kann und deren Inhalt man noch weniger nachvollziehen kann. Der Vorstandsvorsitzende kennt diese Folien in- und auswendig, unzählige Male hat er diese im Führungskreis und im Verwaltungsrat präsentiert. Dies merkt man an der Geschwindigkeit des Vortrags und der geringen Leidenschaft; für ihn ist es Routine, ein Termin im Kalender – für die Belegschaft jedoch ein wichtiger Moment. Das neue Jahr erfordert „die Anstrengung eines Jeden“. Zahlreiche Mitarbeiter denken sich im gleichen Moment „Immer die gleichen Plattitüden“ oder „Soll er doch mal anfangen und mit gutem Beispiel vorangehen“. Besonders an die „Einigkeit in der Führung“ appelliert der Vorstandsvorsitzende. Gleichzeitig kennen viele Mitarbeiter die cholerischen Ausbrüche des Vortragenden und die katastrophale Zusammenarbeit im Vorstand.

An diesem kleinen Gedankenausflug ist erkennbar: Wenn Führung nicht authentisch ist, entstehen signifikante negative Effekte. Die anwesenden Mitarbeiter gehen demotivierter nach Hause, als sie gekommen sind. Am nächsten Tag wird wieder zum Tagesgeschäft übergegangen, getreu dem Motto „wir haben noch jedes Jahr irgendwie rumgebracht.“. Gleichzeitig wird dem Controller beim Blick in die Prognose angst und bange, weil die so wunderbar geplanten, aber fiktiven Werte nichts mit der aktuellen Zielerreichung zu tun haben. Eine Negativspirale aus noch mehr Kontrolle, empfundenem Druck und Mikromanagement entwickelt sich. Die Stimmung innerhalb des Instituts wird merklich schlechter und die Ergebnisse ebenso. Stellen wir uns die gleiche Situation vor, diesmal jedoch mit einer flammenden Rede des Vorstandsvorsitzenden, mit der Betonung von Erfolgen des letzten Jahres, wesentlicher Stärken der Sparkasse. Das ausgesprochene Vertrauen in die Kräfte der Mitarbeiter, selbst die hohen betriebswirtschaftlichen Herausforderungen zu meistern; die Vorfreude auf eine Jahresabschlussfeier, in der alle glücklich zurückblicken werden und letztlich spürbare Zuversicht beim Blick auf die Zukunft. Was würde eine Veranstaltung dieser Art auslösen? Wie würden die Mitarbeiter an den Arbeitsplatz zurückkehren? Wir sprechen in beiden Beispielen von der gleichen betriebswirtschaftlichen Ausgangssituation und den gleichen Rahmenbedingungen, doch in welchem Szenario würden diese sich für die Belegschaft „leichter“ anfühlen?

Gerade in den aktuellen, betriebswirtschaftlich herausfordernden Zeiten ist es notwendig, dass sich das Führungsverhalten aller Führungskräfte grundsätzlich ändert. Angefangen mit dem Verhalten des Vorstands. Zukunft bedeutet weg vom „Für mich arbeiten x Menschen“, hin zu „Ich arbeite für x Menschen“. Arbeit heißt hier vor allem Vorleben, Richtung geben, Vertrauen schenken, Stärken der einzelnen Führungskräfte noch weiter ausbauen und Eigenverantwortung übernehmen. Kein Gejammere über das Verhalten einzelner, denn oftmals sind diejenigen vom Vorstand selbst auf die Position gesetzt worden – und selbst wenn dies nicht der Fall ist: die Möglichkeit, unfähige Führungskräfte auszutauschen, obliegt dem Vorstand.Vorleben beginnt bei der Reflexion der eigenen Person und des eigenen Führungsverhaltens. Besonders in der heutigen volatilen Welt ist es notwendig, eigene Glaubenssätze und Vorgehensweisen zu hinterfragen und durch die Veränderung der eigenen Person Veränderungen in der Organisation zu fördern.

Holen Sie sich eine externe Person an Ihre Seite, die mit Ihnen gemeinsam daran arbeitet. Denn Fakt ist: Die Bedeutung von Mitgliedern des Vorstands ist größer denn je – das komplette Verhalten, jeder Gesichtsausdruck, jedes Wort, jede E-Mail, jeder Auftritt –einfach alles ist eine Pressemitteilung an die Mitarbeiter. Was sollten Ihre Mitarbeiter am besten darin „lesen“?

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Über den Autor: Prof. Dr. Jürgen Weimann

Dr. Jürgen Weimann ist einer der führenden Managementberater für Zukunftsfähigkeit durch wirkungsvolle Führung und kompromisslose Kundenzentrierung mit Schwerpunkt im Sparkassen Consulting & Bank Beratung.

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