Vertriebsleiter: Verwalter oder Coach?

Die Aufgaben eines Vertriebsleiters sind vielfältig, sie reichen von der Betreuung eigener Kunden, der Mitarbeiter, bis hin zum Projektmanagement. Die Zeitanteile sind in der Praxis aber in keinem Fall gleichverteilt. Nur wenige Vertriebsleiter nutzen Ihre Hauptzeit um Kunden oder Mitarbeitern zu begegnen. Doch welche Zeitverteilung wäre aus Sicht der Vertriebsorganisation sinnvoll?

Wie ist die aktuelle Budgetauslastung? Wie entwickeln sich die Umsatzziele im Vergleich zum Vorjahr? Wann erhalte ich Ihre Stellungnahme zum Projektvorschlag xy? Wann präsentieren Sie in der Vorstandssitzung? Diese und weitere Fragen kommen vielen Vertriebsleitern sicher bekannt vor. Was allen Fragen gemein ist, keine Frage beschäftigt sich mit den Mitarbeitern und nur die Frage nach dem Umsatz beschäftigt sich mittelbar mit dem Kunden. Ist diese Entwicklung strategischen Entscheidungen geschuldet, also eine gewollte Richtung oder hat sich die Aufgabe eines Vertriebsleiters eher langsam, fast unbemerkt in eine Richtung verändert, die für eine Organisation nur noch wenig Mehrwert stiftet?

„ORIGINÄRE AUFGABE EINES VERTRIEBSLEITERS IST UND BLEIBT VERTRIEB“

Unabhängig von der Branche, des Produkts oder der Dienstleistung und ob der Endkunde aus dem B2C oder B2B Bereich kommt, das Ziel des Vertrieb ist und bleibt: Bedürfnisse anderer Menschen zu erkennen und Ihnen entsprechende Lösungen anzubieten, die ihnen dabei hilfreich sind ihre Wünsche zu erfüllen.

Das generiert bei einem Erlebnis über dem Erwartungshorizont- Zufriedenheit bis Begeisterung auf Kunden- und auf Mitarbeiterseite, da positive Deckungsbeiträge erwirtschaftet werden. Somit ist die Aufgabe eines Vertriebsleiters, den dargestellten Prozess bestmöglich zu fördern und strategisch weiterzuentwickeln, also vereinfacht gesagt „sich um den Vertrieb kümmern“.

„ANALYSEN UND REPORTS SIND MITTEL ZUM ZWECK UND NICHT HAUPTZWECK“

Die tägliche Praxis vieler Vertriebsleiter sieht ganz anders aus. Ein internes Meeting jagt das Nächste, Controllingdateien möchten analysiert, befüllt, kontrolliert werden. Da in Vertriebsorganisationen natürlich viele Schnittstellen zum Vertriebsteam bestehen, ist in fast allen Projekten der Vertriebsleiter involviert. Der Hauptteil der Arbeitszeit wird somit mit Business Management verbracht.

Die Erreichung der Vertriebsziele kann aber nur durch ein hoch performantes Vertriebsteam erfolgen. Dabei ist jeder Einzelne des Teams von herausragender Bedeutung. Von der Teamperformance des Vertriebsteams hängt die Erreichung der Unternehmensziele direkt ab.

“MEHR ZEIT FÜR KUNDEN UND MITARBEITER”

Somit erscheint es fast bizarr, warum dann oft den einzelnen Menschen der kleinste Teil der Aufmerksamkeit zukommt. Je mehr es dem einzelnen Mitarbeiter gelingt, die Kundenbedürfnisse zu verstehen, die Produkte des Unternehmens mit allen Facetten zu erklären, desto erfolgreicher wird der Mitarbeiter am Kunden und mit ihm die gesamte Vertriebsorganisation.

Analysen und Reports helfen jedoch nicht den Einzelnen erfolgreicher zu machen, dafür ist nach einer Kurzanalyse gemeinsame Arbeit am Menschen notwendig. Diese Arbeit am Menschen, Mitarbeiter fördern, weiterentwickeln, in Kundensituationen begleiten, stellt die Hauptaufgabe des Vertriebsleiters dar. Und nein – ein täglicher oder wöchentlicher Anruf beim Mitarbeiter ersetzt nicht diesen Teil der Arbeit. Coaching entfaltet erst dann seine komplette Wirkung, wenn die Führungskraft dem Mitarbeiter mit all seinen Facetten begegnet und auf dieser Ausgangsbasis mit der gemeinsamen Vertrauensarbeit beginnt. Dies setzt gleichzeitig voraus, dass der Vertriebsleiter aus eigener Kundenerfahrung berichten kann und diese nicht über 10 Jahren her ist.

„VERTRIEBSLEITER ALS COACH – EIN PLÄDOYER“

Damit der Vertriebsleiter wieder mehr Zeit im direkten Kontakt mit den Mitarbeitern und Kunden verbringen kann sind einige Änderungen notwendig:

  • Radikale Reduzierung und Vereinfachung des Reportings – Reports und Berichte als Unterstützung der Führungsaufgabe, nicht als Substitut von Führung
  • Bedeutung des Mitarbeiters erkennen – jeder Einzelne ist von großer Bedeutung für den Gesamterfolg einer Organisation
  • Erhöhung der Zeitanteile am Kunde und Mitarbeiter – Reduzierung bzw. Automatisierung sämtlicher nicht Mitarbeiter- oder kundenrelevanter Tätigkeiten
  • Zeitmanagement des Vertriebsleiters – konsequente Hinterfragung jeder Aufgabe: Dient diese dem Mitarbeiter oder Kunden?
  • Begleitung der Mitarbeiter als Fokus – Besinnung auf die originäre Aufgabe eines Vertriebsleiters: Menschen begegnen und weiterentwickeln
  • Vertrauen zwischen Stab und Vertrieb stärken – Aus meiner Beobachtung resultieren viele Business-Management-Aufgaben aus einem Missvertrauen zwischen Stab und Vertrieb. Vertriebsleiter haben das Gefühl, die unterstützenden Bereiche der Organisation würden Entscheidungen nicht im Sinne des Kunden treffen, aus diesem Grund besteht ein erhöhter Wunsch nach Einbindung des Vertriebsleiters in interne Maßnahmen.

FAZIT

Hoch erfolgreichen Vertriebsleitern gelingt der Spagat zwischen verwaltenden Tätigkeiten und der Arbeit am Menschen bereits heute. Aus meiner tiefen Überzeugung und eigener Erfahrung ist genau dieser Teil es, der Vertrieb so einzigartig macht: das Lächeln eines begeisterten Mitarbeiters und begeisterten Kunden.

Ihr

Jürgen Weimann

Welche Rolle dabei die Geschäftsleitung und die Führungskräfte spielen, lesen Sie hier.

Dieser Artikel wurde am 14.07 veröffentlicht unter vertriebszeitung.de

Fotoquelle: Unsplash

Über den Autor: Prof. Dr. Jürgen Weimann

Dr. Jürgen Weimann ist einer der führenden Managementberater für Zukunftsfähigkeit durch wirkungsvolle Führung und kompromisslose Kundenzentrierung mit Schwerpunkt im Sparkassen Consulting & Bank Beratung.

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