Vertriebsführung oder Vertriebsdemotivierung?

Vertriebsführung in Sparkasse

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Fast alle Sparkassen haben einen sogenannten Vertriebsführungsprozess im Einsatz. Dieser legt die Art und Anzahl der Gespräche fest, die eine Führungskraft im Vertrieb mit ihren Mitarbeitern führen soll. Ziel der Gespräche ist es, den Mitarbeiter bei der Entfaltung seines eigenen Potenzials zu unterstützen und zu begleiten. Spreche ich mit Beraterinnen und Beratern, so reflektieren die meisten, dass der Mehrwert, der aus diesen Gesprächen resultiert, sehr gering ist. Die Bandbreite der Einschätzungen dieser Gespräche reicht von Zeitverschwendung bis Demotivation. Zeit für einen Neuanfang.

Sparkassen lieben es, Abläufe zu standardisieren. Somit begannen vor vielen Jahren auch zahlreiche Sparkassen, ihren Umgang mit Führung zu formalisieren. Man hatte erkannt, dass nur wenige Führungskräfte regelmäßige Gespräche mit ihren Mitarbeitern führen, gleichzeitig aber die Art der Führung eine große Auswirkung auf die Entfaltung des Potenzials des einzelnen Mitarbeiters hat. Dies war die Geburtsstunde des Vertriebsführungsprozesses. Bereits am Ursprung fällt auf: Eine Begleitung der Mitarbeiter in den Stabs- und Marktfolgebereichen scheint damals als nicht notwendig angesehen worden sein. Mir ist jedenfalls kein „Stabs- oder Marktfolgeführungsprozess“ bekannt. In meinem Verständnis bedeutet Führung „Unterstützung der anvertrauten Mitarbeiter, ihr innewohnendes Potenzial vollends zu entfalten und dadurch über sich hinauszuwachsen“. Guten Führungskräften gelingt es, einen Mitarbeiter so über sich selbst und seine Fähigkeiten hinauswachsen zu lassen, wie er es selbst nicht für möglich gehalten hätte. In meiner Welt ist eine Führungskraft nicht „Chefkontrolleur“, sondern „Mentor“. Die Realität in vielen Sparkassen schaut jedoch anders aus.

Die im Rahmen des Vertriebsführungsprozesses definierten Gespräche finden entweder gar nicht, in anderer Form, oder ohne Mehrwert statt. Häufigste Ursachen hierfür sind:

  • Unfähigkeit der Führungskraft– Nicht der fähigste Mitarbeiter wurde zur Führungskraft berufen, sondern der, der am längsten da war.
  • Defizite im Führungsverständnis– Die Führungskraft hat ein anderes Verständnis von Führung, als es für den Erfolg der Sparkasse dienlich wäre.
  • Bedeutung von Führung– In der Sparkasse hat Führung generell eine untergeordnete Bedeutung. Daher werden nur noch die gar nicht anders nutzbaren Zeitanteile für Führung verwendet.
  • Defizite in der Gesprächsstrukturierung und –führung – Die Gespräche finden zwar statt, sind aber reine Zeitverschwendung. Der Mitarbeiter wird mit Banalitäten wie z. B. dem Vorlesen der eigenen Zielkarte beschäftigt und lässt das Gespräch einfach „über sich ergehen“.
  • Fehlender Selbstwert– Damit man Mitarbeiter fördert, sie größer macht, im Zweifel sogar größer, als man sich selbst wahrnimmt, braucht es einen hohen Selbstwert. Plagen die Führungskraft Selbstzweifel, fällt es schwer, andere Menschen größer zu machen und zu fördern, da immer unterbewusst die Angst „Die/Der sägt an meinem Stuhl.“ mitschwingen wird.

Ergebnis dieser Ursachen ist im besten Fall ein Mitarbeiter, der die Gespräche einfach über sich ergehen lässt und schnell das Weite sucht – in oder außerhalb der Sparkasse.  Im schlimmsten Fall ist das Ergebnis ein Mitarbeiter, dessen Leistung massiv abfällt, bis hin zur Erkrankung wegen empfundenen „Drucks“. Alles Ergebnisse, die sicher keine Sparkasse haben möchte. Daher wird es Zeit für einen Neuanfang; folgende 5 Punkte entfalten in den von mir durchgeführten Begleitungen die größte Wirkung:

1)    Definition eines gemeinsamen Führungsverständnisses– Im Rahmen von Workshops erarbeiten die Vorstände mit den Führungskräften ein gemeinsames Führungsverständnis. Dies kann auf Basis ggf. vorhandener Leitbilder passieren. Im Ergebnis geht es um eine Operationalisierung des Führungsbegriffes, nicht in Form von schönen Worten eines Leitbilds, sondern in Form von konkreten Situationen und Handlungsweisen, an denen ein Mitarbeiter die im Leitbild verankerten Werte spürbar erlebt.

2)   Weg von der „formalen“ hin zur „emotionalen“ Führung– In meiner Arbeit mit Führungskräften frage ich immer: „Wovon träumen Ihre Mitarbeiter“. Die Reaktionen reichen von Verwunderung über diese Frage bis hin zu konkreten Antworten. Doch wenn eine Führungskraft nicht weiß, was ihre Mitarbeiter eigentlich antreibt, wie soll es ihr dann möglich sein, als emphatischer Unterstützer zu fungieren? Es macht einen großen Unterschied, ob ich einen Mitarbeiter führe, dessen großer Traum es ist, Vorstand in der Sparkasse zu werden, oder jemanden, dessen Traum darin besteht, eine größere Anschaffung, verbunden mit hohem finanziellem Aufwand,  zu tätigen.

3)   „Ausmisten“ bei den Führungsgesprächen– Nicht die Quantität der Gespräche ist entscheidend, sondern die Qualität. Hierzu ist es wichtig, die aktuell gelebten Einzel- und Teamgespräche auf ihre Sinnhaftigkeit zu überprüfen. Kein Gespräch sollte nur stattfinden, damit man miteinander gesprochen hat; jedes Gespräch muss einen klaren Mehrwert hervorbringen, der nicht über andere Wege transportierbar ist. Ein Gespräch, in dem mit dem Mitarbeiter Kompetenzgenehmigungen vorgenommen werden oder in dem nur die rein quantitative Betrachtung der Zielkarte stattfindet, ist kein Führungsgespräch. Jedes Führungsgespräch hat das Ziel, den Mitarbeiter erfolgreicher und größer zu machen. Hierzu zählt auch das liebevolle, aber unerbittliche Ansprechen von Missständen, ungewünschtem Verhalten oder Misserfolg. Jedoch nie als Tribunal, sondern immer mit dem Blick nach vorne: „Welche Unterstützung brauchen Sie, damit das erwünschte Verhalten eintritt?“. Ein solches monatliches Einzelgespräch mit der Führungskraft ist das Mindestmaß an Führung.

4)  Stetige Entwicklung der Führungskräfte– Eine Führungskraft, die sich innerhalb der letzten 2 Jahre nicht mit dem eigenen Führungsverhalten oder der eigenen Person intensiv beschäftigt hat, hat dringenden Nachholbedarf. Alle Führungskräfte brauchen daher einen Mentor/Coach an ihrer Seite, der sie dabei begleitet, als Mensch zu wachsen. Es gibt kein „ausgelernt“. Vor allem als Führungskraft ist die stetige persönliche Weiterentwicklung unerlässlich. Wer dies anders sieht, ist keine Führungskraft.

5)   Schaffung von gemeinsamen Erlebnissen– Durch individuelle und vor allem persönliche Erlebnisse gelingt es, die Mitarbeiter zu begeistern. Dies kann von spontanen Freizeitenüber Einladungen zum Essen bis hin zu gemeinsamen Teamevents alles sein. Hier sind Kreativität und vor allem Empathie gefragt; es geht nicht um die „Gießkanne“ für Alle, sondern das Fördern und Honorieren von besonderen Leistungen einzelner Mitarbeiter. Dies gelingt nur dann wirkungsvoll, wenn den Führungskräften zum einen die organisatorischen Rahmenbedingungen („Dürfen“ und Budget) gegeben sind und sie zum anderen durch eine empathische Form ihrer Gesprächsführung wissen, was ihren Mitarbeitern Freude bereitet. Denn Zwangsevents haben eine gegenteilige Wirkung.

So individuell wie Führung selbst, ist auch die Ausgangssituation in den jeweiligen Instituten. Die fünf genannten Stellhebel für wirkungsvollere Führung sollen Ihnen als Inspiration dienen, über Ihr eigenes Führungsverhalten und die Führungskultur in Ihrer Sparkasse nachzudenken. Dabei gelten die Empfehlungen nicht nur für den Vertrieb. Gerne bin ich dabei an Ihrer Seite.

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Über den Autor: Prof. Dr. Jürgen Weimann

Dr. Jürgen Weimann ist einer der führenden Managementberater für Zukunftsfähigkeit durch wirkungsvolle Führung und kompromisslose Kundenzentrierung mit Schwerpunkt im Sparkassen Consulting & Bank Beratung.

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