Unternehmenskultur kann man nicht schulen oder anweisen, sondern nur erleben!
Bei einem Kundentermin begleitete mich eine Mitarbeiterin des Empfangs in die Etage der Vorstandsbüros. Auf meine Frage, warum denn aktuell so viele Menschen im Foyer stehen, antwortete sie: „Alle Kolleginnen und Kollegen nehmen heute an einer Hausmesse teil, in der unsere neue, digitale Unternehmenskultur geschult wird.“ Dieses Erlebnis inspirierte mich zu diesem Artikel. Nur durch Veranstaltungen dieser Art, ändert sich rein gar nichts. Erst das tägliche Erleben prägt die Veränderung.
Zahlreiche Sparkassen haben erkannt, dass in einer digitalen Welt eine neue Kultur der Zusammenarbeit notwendig ist. Durch schnellere Abläufe und Prozesse soll es der Sparkasse möglich werden, sich den veränderten Rahmenbedingungen ideal anzupassen. Stellt sich die Frage – was ist eigentlich die Unternehmenskultur? Ich definiere Kultur als die Summe der gelebten Werte in einem Unternehmen. Entscheidend ist immer das eigene Erleben, denn aufgeschriebene Strategien oder Unternehmenswerte gibt es in zahlreichen Sparkassen, entscheidend ist aber, welche Kultur vom einzelnen Mitarbeiter in der täglichen Praxis wahrgenommen wird. Somit wird die Unternehmenskultur vor allem durch eine nachhaltige Umsetzung verändert, wenn Mitarbeiter merken, dass sich das Verhalten von Führungskräften verändert hat oder andere Fragen gestellt werden als vorher. Der Umgang ändert sich und wenn man merkt, dass dieser Umgang „ernst gemeint“ ist, also von Dauer und nicht nur wenige Wochen anhält, dann verändert sich die Kultur der Zusammenarbeit. Kann man dann Kultur schulen? Aus meiner Sicht ist das verschwendete Zeit und somit auch verschwendetes Geld. Ein paar Beispiele zur Verdeutlichung: Bieten Sie Ihrem Partner eine Schulung an, in der Sie ihm all Ihre Bedürfnisse und die Verhaltensweisen, die Sie erwarten, komprimiert darlegen? Oder würden Sie eine theoretische Schulung zum Erlernen des Skifahrens besuchen?
Veranstaltungen mit darauffolgenden Maßnahmen: Ja! Sonst: Nutzlos!
Sicher wundern Sie sich bereits über diese Fragen, da die Antwort in beiden Fällen „Nein“ ist. Zahlreiche Sparkassen machen aber genau das: Sie bieten ihren Mitarbeitern Schulungen zur neuen Unternehmenskultur im digitalen Zeitalter an. Die Digitalisierung hat und wird die Bankenbranche in Deutschland nachhaltig verändern, daher suchen Vorstände aktuell fast schon verzweifelt nach Wegen, ihre Mitarbeiter auf den Weg der Veränderung mitzunehmen. Diese Intention ist wunderbar und zeigt die menschliche Seite der Sparkassenidentität. Doch das Angebot von Schulungen wird nicht zu einer großartigen Veränderung führen, sondern nur Kosten verursachen, ohne einen unternehmerischen Mehrwert zu generieren, wenn es das einzige Angebot bleibt. Derzeit sind vor allem Schulungen/Veranstaltungen sehr beliebt, die sich mit dem Thema Digitalisierung und zugehöriger Unternehmenskultur beschäftigen. Im Rahmen einzelner Workshops oder Infostände werden den Mitarbeitern die neusten Entwicklungen der digitalen Welt erläutert, Apps erklärt und Live-Vorführungen besonderer Online-Erlebnisse präsentiert. Vielleicht wird noch ein externer Redner eingeladen, der eine flammende Rede über die Chancen der Digitalisierung hält und aufzeigt, welche neueste Technologie gerade im Silicon Valley der letzte Schrei ist. Durch Veranstaltungen dieser Art soll sich der Mitarbeiter „eingebunden fühlen“. Doch was hilft so eine Veranstaltung, wenn der Mitarbeiter danach wieder in seine Filiale im Stile der 80er-Jahre zurückkehrt und von einer Führungskraft geführt wird, die niemals Führungskraft hätte werden dürfen?
Im Kern geht es mir nicht darum, Veranstaltungen dieser Art zu kritisieren, denn deren Intention ist positiv und es können ebenso wirkungsvolle Effekte eintreten. Die Schulung von Fertigkeiten zur besseren Beratung von Kunden bei der Verwendung der Apps des Instituts ist eine sehr sinnvolle Maßnahme, da sie das Kundenerlebnis verbessert. Glaubt man jedoch, solche Veranstaltungen sind ausreichend, um dadurch die Sparkasse in das neue digitale Zeitalter überführen, so ist dies ein Irrglaube. In diesem Fall sind wir bei der Metapher des Skifahrenlernens als theoretische Schulung. Kultur ändert sich nur durch das eigene Erleben, nicht durch eine einmalige Veranstaltung. Wenn der Mitarbeiter täglich zu spüren bekommt, dass seine Meinung nicht relevant ist oder die Jagd nach einem Schuldigen vor dem Lernen aus Fehlern geht, ist es vollkommen egal, was in Unternehmensleitbildern, Führungsleitlinien oder bei Schulungen vermittelt wird, denn der Mitarbeiter wird es als eine Farce empfinden.
Klarheit im Vorstand als Basis des Veränderungserfolgs
Wirkliche Veränderung entsteht nur, wenn es nicht nur bei einer Veranstaltung bleibt, sondern auch organisatorische Maßnahmen dafür sorgen, dass sich in der Zusammenarbeit in der Sparkasse etwas verändert. Es ist wie bei meinem viel diskutierten Artikel über das Abnehmen von Krawatten, als Teil einer breit angelegten Veränderungsmaßnahme, kann das Abnehmen der Krawatten, wie Veranstaltungen für alle Mitarbeiter, große Wirkung entfalten. Bleibt es jedoch bei einem einmaligen Erleben, kann man sich das Geld sparen bzw. die Krawatte anbehalten. Wenn Sie also eine wirkliche Veränderung herbeiführen möchten, dann ist es im ersten Schritt wichtig, das Verständnis innerhalb des Vorstands zur neuen Unternehmenskultur klar zu definieren. Denn nur so können Sie die Veränderung vorleben. Folgende Fragen sollten Sie sich dabei stellen:
- Wenn Sie das angestrebte Zielbild erreicht haben, was ist im Vergleich zu heute anders?
- Wie laufen Vorstandssitzungen und Führungsrunden ab? Über welche Inhalte wird wie diskutiert?
- Wie gehen die Führungskräfte untereinander und wie die Mitarbeiter miteinander um?
- Woran machen Sie fest, dass sich die Kultur verändert?
Wenn Sie über diese Fragen Klarheit haben, dann beschreiben Sie die Beobachtungen an einem beliebig gewählten Tag zum Zeitpunkt der Erreichung des Zielbilds in Form einer Kurzgeschichte (max. zwei Din-4-Seiten). Wir Menschen können verbalisierte und ausformulierte Worte viel leichter verarbeiten als reine Aufzählungen. Danach teilen Sie mit den Führungskräften der ersten Ebene dieses Zielbild des Vorstands. Erläutern Sie die Zielsetzung, die durch den Vorstand mit der Kulturveränderung angestrebt wird. Eine Kulturveränderung sollte nie Selbstzweck sein, sondern immer klar messbaren Notwendigkeiten folgen. Durch die Einbindung der ersten Führungsebene haben die betroffenen Personen die Möglichkeit abzugleichen, ob sie sich in der neuen Kultur wiederfinden können und das Zielbild für sie reizvoll ist. Sicher werden in diesem Schritt nur die wenigsten Führungskräfte offen sagen, dass sie nicht bereit sind, die Schritte zur Erreichung des Zielbilds zu gehen, weil sie es für nicht relevant halten.
Aber Sie werden anhand der ersten Reaktion bereits erkennen, wem Sie vielleicht noch mal intensiver helfen müssen, das Zielbild zu verstehen oder ggf. zu einem späteren Zeitpunkt zu erkennen, dass die neue Welt nicht mehr zu den Vorstellungen aller Mitarbeiter passt.
Der Vorstand sorgt durch aktives Vorleben für Veränderung
Sprechen Sie mit den Mitarbeitern so, wie Sie es sich wünschen, dass die Mitarbeiter es im Zielbild tun. Reflektieren Sie in den nächsten Mitarbeiterrunden oder Personalgesprächen die angestrebten Werte und zeigen Sie durch das tägliche Vorleben, dass Sie es ernst meinen. Handeln und agieren Sie, als wenn die gesamte Sparkasse das Zielbild bereits erreicht hat. Dies ist am Anfang viel schwieriger, als man es sich beim Lesen dieses Artikels vorstellt, weil bei jedem Menschen die Gefahr besteht, wieder in alte Verhaltensmuster zu verfallen.
Daher erinnern Sie sich gegenseitig innerhalb des Vorstands und ersten Führungskreises, falls es in einer Situation mal nicht gelungen ist, „neu“ zu denken, sondern Sie in alten Denkmustern unterwegs waren. Möchten Sie zum Beispiel innerhalb Ihrer Organisation schneller werden und entscheiden sich, in der Vorstandssitzung auch mal mit einem Flipchart zu arbeiten, statt eine in wochenlanger Detailarbeit und zigmal abgestimmte Präsentation zu diskutieren, dann fordern Sie dies aktiv ein, wenn ein Mitarbeiter wieder mit einer geschliffenen Präsentation ankommt. Durch dieses Verhalten spüren Ihre Mitarbeiter tagtäglich, dass Sie es ernst meinen und dass die alte Welt nicht mehr existent ist. So gelingt Ihre Kulturveränderung innerhalb weniger Monate. Wichtig ist nur, dass die „alten Wege“ nicht mehr funktionieren. Denken Sie an eine Autofahrt, wo ein Streckenabschnitt auf einmal gesperrt ist. Sie fahren eine neue Route, weil Sie zum Ziel wollen. Bei nochmaliger Fahrt zu diesem Ziel probieren Sie wieder die alte Route, doch wenn Sie dann realisieren, dass die Straße nicht nur gesperrt, sondern abgerissen wurde, begreifen Sie, dass Sie künftig nur noch die neue Route wählen werden. Mit dieser Entscheidung wird die vorher neue Route sofort zur gewohnten Route. Anders ist es bei Veränderungsmaßnahmen aller Art auch nicht.
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