Raus mit Ihnen! Kundenheld statt Schreibtischtäter
Keine Strategie, keine Mitarbeiterveranstaltung, keine Konferenz ohne ein Thema: Der Kunde. Fast mantraartig wird u.a. von Kundenorientierung, Kundenbegeisterung, Kundenzufriedenheit oder Kundenzentrierung gesprochen. Bitte fragen Sie sich hierbei: Liegt es daran, dass es aktuell einfach „in“ ist, über dieses Thema zu sprechen, oder meinen Sie es wirklich ernst? Wenn Sie es wirklich ernst meinen, lassen Sie mich eines sagen: Es wird Zeit, Kunden mal wieder in die Augen zu blicken. Mein Aufruf: Vorstände, Führungskräfte und Mitarbeiter à Raus aus den Meetings!
Wie oft sprechen Sie in Ihrer Sparkasse über „den Kunden“? Oder wie häufig sprechen Sie verallgemeinernd über „die Vertriebsmitarbeiter“, „die Stabsmitarbeiter“, „die Marktfolge“ etc.? Vielleicht kennen Sie das Sprichwort: „Urteile nie über einen anderen, bevor Du nicht einen Mond lang in seinen Mokassins gelaufen bist.“. Ich erlebe in Sparkassen so viele Gespräche, Workshops und Veranstaltungen, in denen viele Menschen über jemanden sprechen, anstatt miteinander zu sprechen. Es wird Zeit, dies zu ändern. Ihre Sparkasse ist nicht nur eine Ansammlung von Geld, sondern vor allem eine Ansammlung von einzigartigen Menschen. Mit Menschen meine ich Mitarbeiter wie Kunden. Wenn es Sparkassen gelingen würde, dieses menschliche Potenzial sinnvoll zu nutzen, dann bräuchten Sie sich zum einen keine Sorge mehr über die zukünftige Profitabilität zu machen. Zum anderen könnten Sie sich mindestens 50 % Ihrer Projekte und Maßnahmen sparen, da die gesamte Organisation sich in einem permanenten „Flow“ befindet und somit die heutige „Projektarbeit“ zum Tagesgeschäft werden würde. Daher meine Empfehlung: Nehmen Sie den Blickwinkel des anderen ein! Setzen Sie sich als Vorstand mal einen halben Tag in Ihre KSC und erfahren Sie unmittelbar, was Ihre Kunden umtreibt. Stellen Sie sich als Mitarbeiter der Marktfolge in eine Filiale oder erleben Sie eine Baufinanzierung von Anfang an. Entwickeln Sie als Vertriebsführungskraft mal im Vertriebsmanagement eine neue Kampagne. Sprechen Sie als Führungskraft nicht mit Ihren direkt geführten Mitarbeitern, sondern mit den Mitarbeitern aus dem anderen Ressort oder der anderen Abteilung.
Vielleicht denken Sie jetzt: „Das würde ich ja gerne, aber dafür habe ich keine Zeit.“ – dann allerdings sollten Sie über Ihre Prioritäten nachdenken. Denn Zeit als Ressource ist nicht existent, sondern das Ergebnis einer Priorisierung. Als Vorstand und Führungskraft ist es Ihre Aufgabe, Ihre Sparkasse in eine erfolgreiche Zukunft zu führen und das Beste aus Ihren Mitarbeitern herauszuholen – damit Ihre Kunden rundum zufrieden mit Ihren Dienstleistungen sind, wiederkommen und Ihre Filiale weiterempfehlen. Dazu ist es notwendig, die Wünsche, Träume, Bedürfnisse, Ängste und Sorgen des Anderen zu kennen. Nur dann können Sie die Ihnen anvertrauten Mitarbeiter führen, ihnen bei der persönlichen Entwicklung helfen und sie motivieren. Gleichzeitig können Sie auf diese Weise Ihre Produkte und Dienstleistungen so weiterentwickeln, dass Ihre Kunden bei Ihnen kaufen und Sie somit Erträge generieren.
Hier ein paar Fragen zur Inspiration: Vielleicht sitzt Ihr heimlicher Vertriebsexperte in der Marktfolge und keiner weiß es? Vielleicht hat Ihr Vertriebsmitarbeiter schon lange genau die Idee, die Sie gerade teuer extern einkaufen? Vielleicht können Sie sich die jährliche Kundenbefragung, die meist nur ein Zahlenfriedhof ist, künftig sparen? Vielleicht können Sie Ihre Sachkosten senken, indem interne Meetings seltener, kürzer, ergebnisorientierter und somit produktiver werden? Wie sollen Mitarbeiter in den Stäben die perfekte Unterstützung für die Mitarbeiter mit direktem Kundenkontakt sein, wenn der letzte Kundenkontakt Jahre zurückliegt? Wie sollen die Mitarbeiter mit Kundenkontakt die Arbeit Ihrer unterstützenden Kollegen wertschätzen können, wenn diese keine Ahnung haben, was sie eigentlich machen?
Ein persönliches Beispiel zur weiteren Verdeutlichung: In meiner Zeit als angestellter Unternehmensberater gab es ebenfalls Abteilungen mit direktem Kundenkontakt (die Berater) und unterstützende Abteilungen. Zwei solcher Bereiche möchte ich hier näher beleuchten. Der eine, das Research, bestand aus ehemaligen Beratern, die langjährige Projekterfahrung hatten und weiterhin laufend in aktiven Projekten eingebunden waren. Die Aufgabe dieser Mitarbeiter war es, fundierte Analysen und wertvolle Studien zu erstellen, um für Mandanten und Berater Entscheidungen in Projekten mit Daten zu untermauern. Der andere Bereich, das Backoffice, organisierte u.a. die Reiseplanung. Während ich die Unterstützung aus dem Research immer als Bereicherung empfand, plante ich meine Reisen nach einigen Erlebnissen mit dem Backoffice selbst. Nicht weil die Kolleginnen und Kollegen aus dem Backoffice „schlechter“ waren als die Kollegen aus dem Research – alle schätzte ich persönlich sehr. Sondern weil die Kollegen aus dem Backoffice den Alltag eines Beraters nur grob einschätzen konnten. Somit war es ihnen trotz hoher persönlicher Eignung und Motivation nicht möglich, das Beste Ergebnis zu erzielen.
Wenn Sie nicht selbst mal 5 Tage die Woche auf Reisen waren, dann wissen Sie einfach nicht, dass z. B. am Frankfurter Flughafen der Weg zum Gate nicht 5 Minuten dauert, wie an einem Regionalflughafen. Sie wissen nicht, was es für Sie, Ihre Familie und Ihre Arbeitsproduktivität bedeutet, einen Flug montags um 6 Uhr zu nehmen. Sie können nicht wissen, dass Fahrstrecken von Termin zu Termin in Google Maps „machbar“ aussehen, aber immer von dem Verkehrsaufkommen zum Reisezeitpunkt abhängig sind. Meine Konsequenz war damals, meine Reisen künftig einfach selbst zu planen. Betriebswirtschaftlich eine Katastrophe; zum einen sank dadurch meine Wertschöpfung und zum anderen wurden an anderer Stelle Kapazitäten vorgehalten, die nicht genutzt wurden.
Daher mein Appell an Sie: Verlassen Sie künftig einfach häufiger Ihr Büro und erinnern Sie sich daran, dass alles, was Sie täglich tun, entweder Ihren Kunden, Ihren Mitarbeitern oder Ihrer Sparkasse dienen sollte. Natürlich ist das, vor allem in Hinblick auf die Regulatorik, eine Herausforderung. Aber fangen Sie einfach mit kleinen Schritten an.