Quo vadis Sparkasse?

Dieser Artikel erschien zuerst am 08.03.2017 im Managermagazin der Sparkassen-Finanzgruppe

Noch sind Sparkassen Marktführer in Deutschland, fast jeder zweite Bundesbürger ist Kunde der öffentlich-rechtlichen Institute. Doch um dauerhaft eine feste Größe im Bankensystem zu bleiben, müssen die Sparkassen sich grundlegend wandeln.

Ihren enormen Marktanteil verdanken viele Sparkassen heute eher der Trägheit ihrer Kunden als der Begeisterung. Zwar halten viele ihrem Institut die Treue, auch wenn dessen Konditionen selten die günstigsten sind, Produkte und Prozesse in vielen Fällen nicht die innovativsten und die Leistungen sich kaum von denen anderer im Bankenmarkt unterscheiden. Doch Sparkassen verlieren Marktanteile – gerade bei der attraktiven Zielgruppe der Über-Dreißigjährigen.

Zu groß sind offenbar– trotz des hohen Vertrauens, das die öffentlich-rechtlichen Institute fraglos genießen – für viele Kunden die Verlockungen von Wettbewerbern: Neben den Genossenschaftsbanken, der nach Marktanteilen zweitgrößte Bankengruppe Deutschlands sind das zum Beispiel Onlinebanken wie die ING DiBa, Fintech-Start-ups wie N26 oder Spezial-Dienstleister wie Paypal, wo man für Überweisungen nur noch die Emailadresse des Empfängers braucht. Mit nur ein paar Klicks lässt sich Geld weltweit einfach transferieren. Im Bankensystem ist das deutlich schwieriger, die Einführung der Iban hat eine Überweisung aus Kundensicht noch komplizierter werden lassen.

Kunden haben sich in der heutigen, immer stärker digitalisierten Welt vielfach an Services gewöhnt, die die Finanzbranche ihnen derzeit kaum bieten kann. So können sie zwar online nahezu in Echtzeit Pakete verfolgen. Doch wer wissen will, wie es mit der Bearbeitung seiner Immobilienfinanzierung vorangeht, muss dafür aufwändig bei seinem Institut Rücksprache halten. Bei den Sparkassen kommt erschwerend hinzu: Trotz des einheitlichen Markenauftritts, eines gemeinsamen IT-Dienstleisters und Kunden, die anhand ihrer Iban eindeutig zu identifizieren sind, kann in aller Regel nur die jeweils kontoführende Sparkasse Auskunft geben.

Insgesamt kristallisieren sich sechs Themenfelder heraus, in denen Sparkassen sich verändern müssen, damit Kunden jeden Kontakt mit ihnen als einzigartig und wesentlich wahrnehmen:

VERNETZUNG

Engere Zusammenarbeit erscheint als ein zentraler Punkt, mit dem Sparkassen in der Gunst ihrer Kunden punkten können. Schon heute bekommen Kunden einer Sparkasse auch an den Geldautomaten anderer Institute der Sparkassen-Finanzgruppe Bargeld kostenfrei. Gleiches gilt für Kontoauszüge. Es müsste doch ein Leichtes sein, alle Sparkassen so miteinander zu vernetzen, dass Kunden sich mit Fragen an jedes Institut der Gruppe wenden können und bei einem Umzug nicht mehr ihr Konto bei der einen Sparkasse aufzulösen, um es bei einer anderen Sparkasse aufwändig wieder zu eröffnen.

DIGITALISIERUNG

Für eine wachsende Zahl von Kunden konzentrieren sich die Sparkassen allzu sehr auf ihr Filialsystem, viele Leistungen lassen sich bei Sparkassen nur persönlich in einer Geschäftsstelle abschließen. Dabei sind in anderen Branchen Videolegitimation, digitale Prozesse und Erreichbarkeit rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche längst Standard. Daran müssen sich auch Sparkassen messen lassen. Eine schnelle Implementierung moderner und einfacher Prozesse im Zuge von OSPlus neo ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

NAHBARKEIT

Bei aller Verwurzelung in ihrem Geschäftsgebiet wirken Sparkassen auf ihre Kunden häufig distanziert, vor allem die Vorstände scheinen schwer erreichbar. Dabei können regelmäßige Kundenforen oder -beiräte, die Kunden in Verbesserungsprozesse integrieren, wertvolle Beiträge für die Unternehmensentwicklung liefern. Fast jedem CEO großer Unternehmen kann man mittlerweile via Twitter Feedback geben, mancher Sparkassenvorstand hingegen scheint selbst für die eigenen Mitarbeiter schwer zu erreichen.

EFFEKTIVITÄT

Jeder Besuch in einer Sparkassen-Filiale sollte für Kunden ein herausragendes Erlebnis sein. Das setzt voraus, dass die Mitarbeiter in den Filialen kompetent beraten und entscheiden können – und dürfen. An Standorten, deren Kundenpotenzial rechnerisch nur ein bis zwei Mitarbeiter rechtfertigt, ist das nicht zu leisten, sie sind konsequent zu schließen. Ohnehin sollte der Besuch in der Filiale für neun von zehn Geschäftsvorfälle zwar möglich, aber nicht notwendig sein. Schon gar nicht sollten Interessenten ein zweites Mal vorbeikommen müssen, etwa um umfangreiche Unterlagen nachzureichen. Fintechs und andere Banken zeigen, dass man Kunden – allen regulatorischen Erschwernissen zum Trotz – einfach und effektiv bedienen kann. Gefragt sind ein verbessertes Kundenerlebnis, ein schlagkräftiges Filialnetz und schlanke Prozesse. So schaffen Sparkassen es auch, ihren Personalbedarf den PARES-Referenzwerten des DSGV anzunähern.

EINFACHHEIT

Noch immer erleben zu viele Kunden ihre Sparkasse als schwerfällig, formalistisch und schwer verständlich – sei es in Briefen und Emails, am Telefon oder im persönlichen Gespräch. Viele Anschreiben wirken bürokratisch, die Sprache der Kunden spricht man in Sparkassen offenkundig noch viel zu selten. Starre – und oft schwer verständliche – Regeln können Kunden selbst den Kontakt zur Filiale verleiden, wenn zum Beispiel vor dem Geldautomaten die Kunden Schlange stehen, Servicemitarbeiter in der zugehörigen leeren Filiale aber keine Abhebungen mehr vornehmen wollen oder dürfen. Das enttäuscht nicht nur die Kundschaft, es ist auch betriebswirtschaftlich unsinnig: Die Mitarbeiter mühen sich telefonisch um Kundenkontakte, unterdessen steht die Kundschaft übellaunig und ungeduldig im Foyer. Dabei haben Sparkassen alle Voraussetzungen, sich durch herausragenden Service von ihren Wettbewerbern abzuheben. Mancherorts müssten dafür allerdings offenbar die Zielsysteme angepasst werden: Mitarbeiter sollten an ihren Aktivitäten gemessen werden; denn wenn Kunden allzu fest einem Mitarbeiter zugeordnet werden, um allzu starre Kunden-Mitarbeiter-Relationen einzuhalten, drohen schnell Interessenskonflikte in den Ziel- und Anreizsystemen.

ERWEITERUNG

Traditionell empfehlen Sparkassen eigene Produkte und solche der Verbundpartner. Noch größeren Mehrwert – insbesondere für ihre gut informierten Kunden – könnten sie allerdings erzielen, wenn sie die Produktpalette öffnen. Dem Eindruck, Produkte mit der besten Performance seien bei den Sparkassen nicht zu haben, könnten sie wirkungsvoll entgegen treten, Kunden bräuchten nicht mehr zu Wettbewerbern auszuweichen.

Wenn Sparkassen die notwendigen Veränderungen rechtzeitig angehen, können sie sich für die Zukunft als persönliche „Finanzplattform“ mit einem Omnikanalangebot, herausragendem Service und der besten Beratung im Markt positionieren: Kunden erleben dann Kontakte mit ihrer Sparkasse immer als einzigartig und wertvoll, die Sparkasse steht für das mit Abstand beste Leistungsangebot am Markt. Statt der Attribute „freundlich, nett – aber umständlich“ sollten so schnell wie möglich die Kombination von „unkompliziert, einfach – mit herausragendem Service“ die Sparkassen charakterisieren. Wenn Sparkassen jedoch weitermachen wie bisher, könnten sie in wenigen Jahren obsolet sein.

Bildquelle: DSGV 2017

Über den Autor: Prof. Dr. Jürgen Weimann

Dr. Jürgen Weimann ist einer der führenden Managementberater für Zukunftsfähigkeit durch wirkungsvolle Führung und kompromisslose Kundenzentrierung mit Schwerpunkt im Sparkassen Consulting & Bank Beratung.

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