Projektmanagement in volatilen Zeiten – vergessen sie alles, was sie bisher gelernt haben

Betrachtet man den durch Projekte entstandenen unternehmerischen Mehrwert, so habe ich die These, dass 70 % der Projekte ihre Ziele verfehlen und mehr Aufwand als Nutzen stiften. Die Ursache liegt meist in einer mangelnden Ergebnisorientierung. Zu häufig wird einfach nur der Projektplan „abgearbeitet“, ohne darauf zu achten, mit welchen Zielen das Projekt gestartet ist und ob man diesen näher kommt. Der Fokus liegt auf Aktivitäten und nicht auf den angestrebten Ergebnissen. Das Resultat: Projekte verfehlen ihre Ziele, zähe Implementierungsphasen, Budgetüberschreitungen und vor allem Frustration auf allen Ebenen. Die Lösung ist simpel und schwer zugleich: voller Fokus auf Ergebnisse!

Wann haben Sie zum letzten Mal über Ihre Aktivitäten im Rahmen eines Projekts berichtet oder einen Statusbericht veröffentlicht? Und wie häufig hat Sie jemand nach den Ergebnissen im Rahmen eines Projektes gefragt? Die meisten werden die erste Situation aus ihrem Arbeitsalltag sehr gut kennen, doch nur die wenigsten die zweite. Menschen lieben es über Aktivitäten, also das Wie, zu sprechen, anstatt sich die Frage „wozu?“ zu stellen. Projektpläne werden erstellt und brav abgearbeitet, ohne sich zwischenzeitlich zu fragen, ob die ursprünglich geplanten Aktivitäten zum aktuellen Zeitpunkt überhaupt noch sinnvoll sind. Aktivitäten vermitteln uns Sicherheit und suggerieren gleichzeitig dem Management Fortschritt, doch wirklichen Fortschritt erreicht man nur mit der Erzielung konkreter Ergebnisse. In Kundengesprächen stelle ich eine einfache Frage, die häufig für Verwirrung sorgt: „Was ist der konkrete Nutzen des Projekts?“ Es ist kaum zu glauben, wie häufig es keine klare Antwort auf diese Frage gibt. Da gibt es z. B. das Projekt zur „Neuausrichtung des Vertriebs“, doch fragt man das Management oder die Projektgruppe, so kann oftmals keiner sagen, was konkret nach dem Projekt anders ist und welche Ziele das Projekt hat. Mit einem Ziel meine ich nicht die Verwendung des Projektnamens, indem man, um bei diesem Beispiel zu bleiben, sagt: „Das Ziel ist, dass der Vertrieb neu ausgerichtet wird.“ Das ist kein konkretes Ziel und es ist somit schlicht Zeitverschwendung, sich damit zu beschäftigen. Blicken wir zur Verdeutlichung auf das übliche Projektvorgehen:

  1. Entscheidung: Der Vorstand erkennt ein Handlungsfeld und beschließt die Veränderung des IST-Zustands.
  2. Projektstruktur: Ein verantwortlicher Projektleiter wird definiert, der den Auftrag bekommt, einen Projektvorschlag einzureichen.
  3. Projektplanung: Der Projektleiter erstellt einen Projektauftrag mit Zielen, Inhalten, notwendigem Budget und einem Zeitplan. Meist ist diese Erstellung bereits mit hohen Aufwänden zur Abstimmung und ggf. Beraterauswahl verbunden. Nach dem Beschluss durch den Vorstand werden eine oder mehrere Projektgruppen ins Leben gerufen und eine detaillierte Projektplanung wird erstellt. Diese enthält Aufgaben und Termine zu deren Erledigung.
  4. Controlling: Eine Controllingstruktur wird implementiert, die Teilprojektleiter berichten dem Projektleiter den aktuellen Erfüllungsgrad der Aufgaben und der Projektleiter berichtet den aktuellen Status regelmäßig dem Vorstand.

Diese Schritte erscheinen nicht nur logisch, sondern haben sich im Rahmen des Projektmanagements unzählige Male bewährt. Doch wie komme ich dann zu meiner These, dass 70 % der Projekte keine Wirkung entfalten? Der Teufel steckt auch hier im Detail. Meist werden die Schritte nicht inhaltlich konsequent verfolgt und es kommt an verschiedenen Stellen zu Effizienzverlusten. Die Stolperfallen und deren Lösung im Detail:

  1. Unklarheit vs. klares Zielbild: Häufig definiert der Vorstand keine oder nicht klar quantifizierte Projektziele. Das Ziel ist es nie, z. B. den Vertrieb neu auszurichten, sondern stets z. B. mehr Umsatz zu generieren, eine höhere Gewinnmarge zu erhalten, eine gesteigerte Kundenbindung etc. All diese Ziele lassen sich in konkreten quantitative Kriterien ausdrücken. Somit ist das Ergebnis des ersten Schrittes ein klar vom Vorstand anvisiertes Zielbild, inkl. quantitativer Kriterien zur Bewertung des betriebswirtschaftlichen Nutzens des Projektes.
  2. Projektstruktur durch „Try&Error“ vs. gemeinsame Klarheit: Durch dieses klare Vorgehen dient die Erstellung des Projektauftrags nur der schriftlichen Dokumentation des ersten Schritts.
  3. klassische Projektplanung vs. agile Projektplanung: Die Projektplanung sollte die wesentlichen Meilensteine und die maximale Projektlaufzeit enthalten. Detailaufgaben oder Termine sind konsequent wegzulassen, da dies ein schnelles Projektvorgehen verhindert. Zwei Beispiele: Ein Workshop, der vor sechs Monaten vereinbart und im Rahmen der Projektplanung implementiert wurde, wird zum Zeitpunkt des Stattfindens nicht mehr hinterfragt. Viel zu sehr hat sich der Plan vom ursprünglichen Instrument zum Haupttreiber des Projektes verändert. Aufgaben werden abgearbeitet und man versucht möglichst schnell auf 100 % und somit zu einer grünen Ampel zu kommen, da dies Fortschritt suggeriert. Doch kein Mensch würde bei der persönlichen Urlaubsplanung dem Projekt „Sommerurlaub“ den Fortschritt zum Urlaubsort anhand Prozentwerten in einem Excel-Tool bestimmen, sondern schlicht, indem man sich bewegt und die verbleibende Zeit bis zum Zielort vor Augen hat. Bei Projektplänen fragt sich zum Zeitpunkt des Termins niemand mehr: „Kommen wir dadurch unseren Zielen näher? Oder wäre ein anderer Schritt nun noch sinnvoller?“
  4. Abhaken von Aufgaben vs. Ergebnisfokus: Im Projektcontrolling wird die Erledigung der Aufgaben kontrolliert. Ob man im Verlauf des Projekts den Projektzielen wirklich näher kommt, wird nicht geprüft. Hier wird auf die Planung vertraut, unabhängig davon, wie weit diese zurückliegt. Am Beispiel der Projektplanung heißt das zum Beispiel, dass mit fertiger Projektplanung bereits zwischen 10–15 % Erledigungsgrad für das Gesamtprojekt gemeldet werden, obwohl sich faktisch noch nichts im Unternehmen auch nur ansatzweise verändert hat. Dieses Phänomen führt auch bei externer Begleitung des Projektes dazu, dass ich am Markt nur wenige Projekte kenne, die schneller als geplant fertig sind und unterhalb des geplanten Budgets bleiben. Denn geplant ist geplant.

Die Ausführungen zeigen, der Fokus im klassischen Projektmanagement ist die Aktivitätenorientierung und nicht die Ergebnisorientierung. Aufgaben werden definiert und deren Abarbeitung wird kontrolliert. Gerade in den heute volatilen Märkten ist es jedoch mehr denn ja angebracht, ergebnisorientiert vorzugehen und somit während des Projektverlaufs stets zu hinterfragen: „Ist dies wirklich der kürzeste Weg zu unseren Zielen?“ Dies bedingt ein klar definiertes Projektziel, einen quantifizierten unternehmerischen Mehrwert und Kriterien, anhand derer man den Fortschritt erkennen kann. Denn nicht die Abarbeitung von Aufgaben ist Fortschritt, sondern einzig und allein die erzielte Ergebniswirkung. Natürlich gibt es noch andere Gründe, warum Projekte scheitern, weiterführende Gedanken finden Sie dazu in meinem Artikel: „Warum Projekte scheitern“.

Über den Autor: Prof. Dr. Jürgen Weimann

Dr. Jürgen Weimann ist einer der führenden Managementberater für Zukunftsfähigkeit durch wirkungsvolle Führung und kompromisslose Kundenzentrierung mit Schwerpunkt im Sparkassen Consulting & Bank Beratung.

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