Personalrat & Betriebsrat: zukunftsweisend oder praxisfern?

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Nahezu alle Branchen stehen vor großen strategischen Herausforderungen. Die Corona-Pandemie ist sicher nicht an allen schuld – bereits Anfang des Jahres waren die Herausforderungen mannigfaltig – trotzdem wurde die Umbaunotwendigkeit durch Corona massiv verstärkt. Blickt man auf die aktuellen Forderungen von Gewerkschaften nach Lohnsteigerungen, stellt sich die Frage: In welcher Realität leben Personal- und Betriebsräte?

Gleich vorweg: Sich für das Kollektiv einzusetzen, zum Wohle der Menschen, ist eine wundervolle Aufgabe. Bewusst möchte ich in diesem Artikel zwar nicht die Geschichte von Gewerkschaften und Arbeitnehmervertretungen aufrollen. Gleichzeitig scheint mir das oftmals strapazierte Rollenbild vom „bösen“ Arbeitgeber, der Mitarbeiter ausnutzen möchte, vom unmündigen Mitarbeiter, der sich selbst nicht wehren kann und von der Personalvertretung, die sich für das Wohl der Mitarbeiter einsetzt, mehr als überholt.

In den letzten 23 Jahren durfte ich die unterschiedlichsten Personalräte, vor allem aus dem Sparkassenwesen, kennenlernen. Die „ideale“ Interessensvertretung der Mitarbeiter hat meiner Auffassung nach das Wohl der größten Zahl an Mitarbeitern im Blick – bewusst nicht aller Mitarbeiter. Lassen Sie mich dies an einem einfachen Beispiel erklären: In 2020/21 schützt das Unternehmen 3.000 Arbeitsplätze, dafür meldet es in 2022 Insolvenz an und 15.000 Menschen verlieren Ihren Arbeitsplatz – das wäre eine miserable Arbeit der Interessensvertretung. Auch wenn es für die Betroffenen 3.000 zunächst eine böse Überraschung wäre, betrachtet auf die 15.000 „geretteten“ Arbeitsplätze wäre es das geringere Übel.

Viele Personalräte sind ineffizient

Von den bisher ca. 50 Personalräten, die ich persönlich kennengelernt habe, erlebte ich ca. 70 % leider rückwärtsgewandt. Ihr Hauptaugenmerk war die Pflege des „Feindbilds“ Vorstand und ein Großteil der Arbeitszeit wurde mit Mitarbeitern verbracht, die nicht zu den Leistungsträgern gehörten. Mit letzteren wurde sich im Personalrat überhaupt nicht beschäftigt. Im Fokus stand vor allem das Schaffen von Begründungen, warum es den Personalrat überhaupt braucht.

Die aktuellen Forderungen zu Lohnsteigerungen von z. B. Verdi scheinen mir auch von Denkprozessen wie den geschilderten geprägt zu sein.

Meinen Fokus möchte ich aber auf die anderen 30 % legen. Hier erlebte ich konstruktive Gespräche zwischen Vorstand und Personalrat. Teilweise hatte hier der Personalrat sogar einen deutlich größeren Zukunftsblick als der Vorstand selbst. Proaktiv kamen aus dem Gremium Vorschläge für den Vorstand, wie der Umbau des Geschäftsmodells gelingen könnte. Immer aus dem Antrieb heraus, dem Unternehmen und somit dem größten Teil des Kollektivs Zukunft zu geben.

Da gab es beispielsweise die Situationen, in denen der Personalrat mich für einen Vortrag für die Personalversammlung engagiert hat, weil es ein Anliegen des Gremiums war, den Vorstand „wachzurütteln“. Gegenüber den Mitarbeitern wurden bei den Personalversammlungen klare Worte verwandt, wie groß die Gefahr des Marktes ist und wie wichtig dabei jeder Einzelne für den Erfolg der Transformation ist.

Die Frage ist nun: Was kann ein Unternehmen tun, um in die Zukunft gerichtete Betriebs- und Personalräte zu haben?

Wie kommen Personalrat und Geschäftsleitung zusammen?

Wenn das von den Mitarbeitern gewählte Gremium ein Abbild der Belegschaft darstellen soll, dann könnte man vereinfacht sagen, jedes Unternehmen hat den Personalrat, den es verdient. Natürlich gibt es Verzerrungen allein durch die Aufstellung; nicht jeder will Betriebs- oder Personalrat werden. Doch gleichzeitig spiegelt der Personal- und Betriebsrat meist nur das Bild, welches von Vorständen und der Geschäftsleitung gezeichnet wird.

Wird wirklich mit Wertschätzung und auf Augenhöhe mit den Vertretern des Personal- oder Betriebsrats diskutiert? Oder ist es einfach nur ein notwendiges Übel, mit diesen „weltfremden“ Menschen in Kontakt zu treten? Könnte es nicht sein, dass der Betriebsrat nur der Vertreter des Schattens ist; also dessen, was im Betrieb verdrängt und nicht angegangen wird? Sprechen die Mitglieder nicht einfach das aus, was die Mehrheit der Mitarbeiter ebenso empfindet, es aber nicht auszusprechen wagt?

Wie immer liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen. Mein Anliegen ist es, Sie mit diesem Artikel dahingehend zu inspirieren, mal darüber nachzudenken, welches Bild es in Ihrem Unternehmen von der Interessensvertretung der Mitarbeiter gibt. Welchen Einfluss haben Sie dabei auf die Pflege dieses Bildes? Was wünschen Sie sich anders? Was können Sie dazu aktiv beitragen?

Die aktuellen und künftigen Herausforderungen brauchen ein Miteinander mit klarem Blick in die Zukunft, statt ein Gegeneinander – nicht nur im Falle des Personal- und Betriebsrats.

Über den Autor: Prof. Dr. Jürgen Weimann

Dr. Jürgen Weimann ist einer der führenden Managementberater für Zukunftsfähigkeit durch wirkungsvolle Führung und kompromisslose Kundenzentrierung mit Schwerpunkt im Sparkassen Consulting & Bank Beratung.

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