Der Mythos der veränderungsunwilligen Alten

Ältere Mitarbeitende sind weniger offen für Veränderung.“ Dieser Satz wird in Organisationen oft als feststehende Tatsache angesehen. Er taucht in Change-Projekten auf, wird in Workshops diskutiert und findet seinen Weg in strategische Überlegungen. Doch wie viel Wahrheit steckt wirklich dahinter?

Die Realität ist differenzierter. Veränderungsbereitschaft ist keine Frage des Alters, sondern der inneren Haltung. Es gibt 20-Jährige, die jeden Wandel kritisch hinterfragen, und 60-Jährige, die voller Energie neue Wege gehen wollen. Es ist Zeit, den Mythos vom altersspezifischen Widerstand abzulegen. Veränderungsbereitschaft hängt von der inneren Haltung ab – der Einstellung, mit der Menschen auf neue Herausforderungen reagieren. Diese Haltung wird durch Erfahrungen, Überzeugungen und Persönlichkeitsmerkmale geprägt, nicht durch das Geburtsjahr.

Beispiele aus der Praxis

  • Eine langjährige Führungskraft übernimmt ein Jahr vor dem Ruhestand die Projektleitung für ein strategisches Schlüsselprojekt. Sie weiß, dass der Erfolg neuer Strategien davon abhängt, wie überzeugend und mit welcher Strahlkraft sie in die Organisation getragen werden – und nutzt ihre Erfahrung und Netzwerk, um genau das zu ermöglichen.
  • Ein langjähriger Mitarbeiter kurz vor der Rente engagiert sich freiwillig für die Einführung des S-KI-Pilot, weil er „noch etwas bewegen möchte“.
  • Eine junge Mitarbeiterin zeigt starke Abwehrreaktionen gegenüber Veränderungen, da sie sich in ihrem bisherigen Arbeitsumfeld sicher und wohl fühlt.

Stereotype und ihre Gefahren

Das pauschale Urteil über ältere Mitarbeitende kann nicht nur falsche Entscheidungen fördern, sondern auch eine selbsterfüllende Prophezeiung auslösen: Wer älteren Menschen Veränderungsunwilligkeit unterstellt, wird sie weniger in Veränderungsprozesse einbinden. Dies verstärkt den Eindruck, sie seien weniger engagiert – ein Kreislauf, der dringend durchbrochen werden muss.

Individuelle Stärken nutzen

Anstatt Menschen nach ihrem Alter zu beurteilen, sollten Organisationen die individuellen Stärken und Einstellungen jedes Mitarbeitenden analysieren. Wer zeigt Interesse an Innovationen? Wer bringt wertvolle Erfahrungen mit, um Veränderungen erfolgreich zu gestalten? Veränderungsbereitschaft entsteht in einem unterstützenden Umfeld. Führungskräfte können diese fördern, indem sie:

  • Offenheit für neue Ideen belohnen: Unabhängig vom Alter sollten innovative Vorschläge anerkannt werden. Ein KVP-Prozess (bitte schlank!) kann hier das vorhandene Ideenpotenzial sinnvoll zu Tage bringen.
  • Freiwilligkeit bei Projekten: Transparenz über anstehende Projekte und Maßnahmen und die Möglichkeit sich aktiv zur Mitarbeit zu bewerben.
  • Chancen für Weiterentwicklung aktiv anbieten: Viele ältere Mitarbeitende sind hoch motiviert, Neues zu lernen – wenn sie die Möglichkeit dazu erhalten. Häufig fehlen schlicht die Perspektiven.

Ein ausgewogener Mix aus jungen und erfahrenen Mitarbeitenden kann Veränderungsprojekte bereichern. Jüngere bringen oft frische Perspektiven, während Ältere durch ihre Erfahrung Stabilität und Pragmatismus einbringen. Gleichzeitig verfügen sie über ein großes Netzwerk und kennen die Machtstrukturen. Beide Gruppen zusammen können so ein starkes Team bilden.

Letztlich entscheidet nicht das Geburtsjahr über die Zukunftsbereitschaft – sondern die Einstellung, mit der wir sie gestalten wollen

Über den Autor: Prof. Dr. Jürgen Weimann

Dr. Jürgen Weimann ist einer der führenden Managementberater für Zukunftsfähigkeit durch wirkungsvolle Führung und kompromisslose Kundenzentrierung mit Schwerpunkt im Sparkassen Consulting & Bank Beratung.

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