Mitarbeiterbefragung? Wege aus dem Stimmungstief!

Die Durchführung einer Mitarbeiterbefragung ist ein sinnvoller Weg, um die aktuelle Stimmung innerhalb der Belegschaft zu evaluieren. Aktuell wächst jedoch der Anteil der Vorstände in Sparkassen, die von den Ergebnissen ihrer Mitarbeiterbefragungen verwundert bis schockiert sind. Zufriedenheitswerte verschlechtern sich und häufig wird dem Vorstand und Führungskräften mangelnde Kommunikation attestiert. Was könnten mögliche Ursachen sein und wie schaut der Weg aus dem Stimmungstief aus?

Zahlreiche Sparkassen haben in den letzten Monaten eine Befragung ihrer Mitarbeiter durchgeführt oder sind mitten im Prozess der Durchführung. Für einige Häuser waren die Ergebnisse überraschend. Überraschend deshalb, weil die Vorstände mit deutlich besseren Ergebnissen gerechnet hätten. Die Stimmung und Kultur in zahlreichen Sparkassen scheinen sich deutlich zu verschlechtern. Kein Grund zur Sorge, aber ein großer Grund zum aktiven Handeln. Die massiv gesunkenen Zufriedenheitswerte haben aus meiner Sicht folgende Hauptursachen (dabei können eine oder auch mehrere Ursachen Einfluss auf die Zufriedenheit genommen haben):

1)    Führung: Führung 1.0 für Probleme 4.0

2)   Veränderungsgeschwindigkeit: Teilnahme an einem Marathon, mit der Kondition eines Nichtläufers

3)   Kommunikation: Menschenbild des „dummen“ Mitarbeiters hat ausgedient

Anhand zahlreicher Beispiele aus anderen Branchen oder z. B. aus dem Spitzensport kann man erkennen: wenn Ergebnisse super sind, Erwartungen erfüllt, oder sogar übererfüllt werden, braucht es wenig Managementqualität. In erfolgreichen Zeiten kann jeder Führungskraft sein, denn performende Teams zu führen, ist keine Kunst. Die Qualität von Führungskräften erkennt man erst in Krisensituationen.

Wie gelingt es, „einen kühlen Kopf“ zu bewahren, Menschen zu vereinen, schnelle Entscheidungen zu treffen und als Vorbild zu wirken, damit viele Mitarbeiter der Vision der Führungskraft folgen? Zum Auftakt einer jeden Begleitung frage ich den Vorstand: „Wie viel Prozent Ihrer Führungskräfte sind die richtige Frau, der richtige Mann am richtigen Ort?“ Die Antworten schwanken dabei zwischen 30% und 90% und unterschieden sich je nach Hierarchieebene. Unabhängig vom Prozentwert zeigen diese Einschätzungen vor allem zwei Dinge. Zum einen sind sich die Vorstände sehr wohl der Führungsqualitäten innerhalb der Sparkasse bewusst. Zum anderen wird, vor allem bei den Häusern mit niedrigem Prozentwert, trotzdem nichts unternommen. Diese Nichtentscheidungen entstehen immer aus der Fehleinschätzung, dass die direkten Kosten, die mit einem Austausch der betreffenden Führungskraft verbunden waren, höher wären als der Verbleib ebendieser in der Position. Die Rechnung stimmt aber schon deshalb meist nicht, weil die indirekten Kosten, die durch die Demotivation der direkt geführten Mitarbeiter entstehen, nicht in die Betrachtung einbezogen werden. Eine Führungskraft, die trotz mehrmaligen Anläufen und Hilfestellungen nicht in der Lage ist, ihre Position auszufüllen, ist vergleichbar mit einem Bakterium im menschlichen Organismus. Zunächst passiert nichts, aber mit der Zeit erkranken ganze Regionen bis hin zum Gesamtsystem. Starke Persönlichkeiten mögen eine unfähige Führungskraft noch eine Weile ertragen, im Zweifel bleibt ja die eigene Kündigung. Für Mitarbeiter, die aber sehr loyal der Sparkasse gegenüber sind und nicht so stark, selbst zu kündigen, führt dies zu Frustration bis hin zur inneren Kündigung und somit zu massivem Leistungsverlust. Betrachtet man die letzten Jahre, dann haben viele Häuser zwar intensiv in das Aufschreiben von Führungsleitbildern oder Prozessen investiert. Nur wenige haben aber auch in die Persönlichkeiten der Führungskräfte investiert, sie unterstützt, als Mensch zu wachsen und gerade bei Veränderungen „in sich ruhend“ und somit mit klarem Blick bei den Mitarbeitern zu sein. Stellen Sie daher sicher, dass sich die Führungsqualität in Ihrer Sparkasse deutlich erhöht:

  • 90% der Ausgaben für Trainings/Coachings/Seminare sollten sich auf die Persönlichkeit der Führungskräfte fokussieren
  • Notwendigkeit zur Begleitung besteht auf allen Ebenen, vom Vorstand bis zum Teamleiter
  • konsequenter Austausch von „unfähigen“ Führungskräften

Die Geschwindigkeit, mit der aktuell Veränderungen auf Sparkassen zukommen, hat sich signifikant erhöht. Blickt man auf die kommenden Jahre, so ist eher mit einer weiteren Steigerung dieser Geschwindigkeit zu rechnen. In den letzten Jahren waren Mitarbeiter des Vertriebes gewohnt, das ca. alle 2 Jahre eine neue Kundensegmentierung stattgefunden hat; Mitarbeiter des Stabes wussten, ca. alle 3 Jahre werden mal Prozesse überprüft, den Rest der Zeit „wird man in Ruhe gelassen“. Heutzutage sieht die Welt komplett anders aus. Ein Projekt, eine Maßnahme jagt die nächste und immer bleibt das Gefühl „wir sind zu langsam, um den Veränderungen Herr zu werden“. Somit ist die logische Konsequenz für die Durchführung einer Mitarbeiterbefragung, dass die Zufriedenheitswerte der Mitarbeiter aktuell sinken, da die empfundene Arbeitsbelastung deutlich zugenommen hat. Bei der Bewertung der Ergebnisse der Mitarbeiterbefragung ist dies vor allem zu berücksichtigen. Mitarbeiter von Sparkassen sind nicht unbedingt diejenigen, die als Pioniere von Veränderungen gelten. Ihr Bedürfnis nach Tradition und Sicherheit war für die meisten ein wesentlicher Grund, sich für die Sparkasse zu entscheiden. In der aktuellen Marktsituation, in der die Sparkasse sich wandelt, ist es daher logisch, dass Mitarbeiter sich erst einmal neu orientieren müssen. Die heutige Sparkasse ist nicht mehr die Sparkasse, für die sie sich damals entschieden haben. Dazu brauchen Sie ehrliches Feedback, eine klar erkennbare Zielrichtung des Vorstandes und vor allem das Gefühl, einen Vorstand und Führungskräfte an der Seite zu haben, die wissen, wo die Reise hingeht und denen die Mitarbeiter vertrauen, die richtigen Entscheidungen für die Zukunft zu treffen. Ursachen, warum dies oftmals nicht der Fall ist, sind in den Ausführungen zum ersten Punkt der Führung zu finden. In Zeiten der Veränderung ist vor allem entscheidend, wie hoch der Anteil der Mitarbeiter ist, der nicht per Hierarchie Anweisungen befolgt, sondern sich freiwillig für eine  Gefolgschaft entscheidet. Gefolgschaft entsteht durch Sinn, als dadurch, dass Menschen erkennen, warum eine Veränderung jetzt Sinn ergibt. Sehen Menschen keinen Sinn in der Veränderung, gleicht der Weg der Veränderung einem Marathon, an dem man ohne die notwendige Kondition teilnimmt. Reines „Anschreien“ oder „Peitschen“ hilft dabei nicht, auch wenn ich das wörtlich genommen noch nie in einer Sparkasse erlebt habe. Aber auch das ständige Wiederholen von „Wir müssen sparen.“ oder „Uns geht es schlecht.“ fühlt sich nach „Anschreien“ an. Die Zeiten sind herausfordernd, keine Frage; aber was läuft denn bereits super und was davon lässt sich auf die Bereiche übertragen, die aktuell noch nicht so gut laufen? Fragen Sie sich: Wie hoch ist der Anteil der Mitarbeiter Ihrer Sparkasse, die Ihrer Vision freiwillig folgen würden, wenn sie es nicht per Funktion müssten? Impulse:

  • Was ist Ihre Vision für Ihre Sparkasse? Geht es um reines Konsolidieren und Hinauszögern des Sterbens, oder sehen Sie Wachstumsfelder?
  • Sprechen Sie aktiv über Ihre Ambitionen und Gedanken, diese Vision zu erreichen.
  • Binden Sie die Führungskräfte und Mitarbeiter aktiv ein.

Die letzte mögliche Ursache für die sinkenden Werte der Mitarbeiterzufriedenheit könnte in dem wahrgenommenen Menschenbild der Sparkasse liegen. Bereits im Jahr 1960 hat Douglas McGregor mit der Theorie x und y zwei komplett konträre Menschenbilder beschrieben. Kurz zusammengefasst kennzeichnet die Mitarbeiter der Theorie x das Bild des unwilligen Mitarbeiters. Menschen müssen somit zu Arbeit gezwungen, gelenkt und geleitet werden, weil sie sonst faul wären. Die Theorie y beschreibt das genaue Gegenteil, Menschen möchten sich einbringen, sind leistungsbereit und von innen heraus motiviert. Betrachtet man aus diesen Blickwinkeln einige Sparkassen, so lassen sich viele Elemente der Theorie x und nur wenige Elemente der Theorie y finden. Ein paar Beispiele: Vertriebscontrolling auf Grasnarbenebene, Kompetenzkataloge, die zu teilweise irrwitzigen Genehmigungsverfahren führen, Aufrechnung von Kapazitätswerten im 0,01-Bereich. Im Zeitalter der Digitalisierung und Vernetzung lassen sich Menschen jedoch nicht mehr „kleinhalten“. Informationen sind für alle zugänglich und verfügbar, durch neue Medien verbreiten diese sich viel schneller, als man es früher gewohnt war. Umso wichtiger ist eine offene und vor allem ehrliche Kommunikation. Auch wenn versucht wird, Projektergebnisse geheim zu halten, gelangen sie dennoch in die Sparkasse. Häufig nicht nur, weil Mitglieder der Projektteams plaudern, sondern am häufigsten, weil Mitarbeiter 1 und 1 zusammenzählen können. Hier würde es viel mehr Nutzen stiften, die Mitarbeiter früher einzubinden, anstatt Kommunikationszyklen wie vor 20 Jahren „Top-Down“ zu organisieren. Impulse:

  • An welcher Stelle finden Mitarbeiter zentrale Ergebnisse von Vorstandssitzungen und laufenden Projekten?
  • Wie schnell gelangen diese Informationen durch die Führungskräfte an die Mitarbeiter?
  • Warum muss der Informationsfluss eigentlich immer streng nach Hierarchie und Ressort ablaufen? Implementieren Sie transparente Plattformen im „Facebook-Style“ mit Chat und Kommentarfunktion.

Auch wenn Ihre Befragungsergebnisse nicht den Erwartungen entsprochen haben. Die Sparkassen-Welt befindet sich in der größten Veränderungswelle ihrer Geschichte; umso wichtiger ist es nun, einen klaren Kopf zu bewahren und die Ergebnisse richtig zu deuten. Schlüssel der Mitarbeiterzufriedenheit ist Wertschätzung; dies kann nur von Mensch zu Mensch erlebt werden. Es gibt immer noch tausend Gründe, warum eine Sparkasse zu den besten Arbeitgebern der Republik gehört. Auf die gilt es aufzupassen und auch immer wieder hinzuweisen. Und sparen Sie sich nach der Präsentation der Ergebnisse die Gespräche zwischen Abteilungen, die „schlechte“ Werte erhalten haben, wenn daraus nicht durch die Moderation eines neutralen Dritten (nicht nur extern, sondern wie wäre es mit einem unbeteiligten Abteilungsleiter?) wirkliche Impulse entstehen. Denn was soll denn rauskommen, wenn sich die Parteien treffen, die sich schon jahrelang nicht grün sind und sich nun gefreut haben, dem jeweils anderen Teil es mit Hilfe der Mitarbeiterbefragung mal so richtig zu zeigen? Bei aller Sorge gilt es nicht zu vergessen: es bleibt Jammern auf hohem Niveau, trotz aller Veränderungen ist und bleibt ein Job bei einer Sparkasse beim Vergleich von notwendigem Leistungseinsatz und Stundenlohn höchst attraktiv.

Über den Autor: Prof. Dr. Jürgen Weimann

Dr. Jürgen Weimann ist einer der führenden Managementberater für Zukunftsfähigkeit durch wirkungsvolle Führung und kompromisslose Kundenzentrierung mit Schwerpunkt im Sparkassen Consulting & Bank Beratung.

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