Kunden wollen was erleben

Dieser Artikel erschien zuerst am 11.01.2017 im Manager-Magazin der S-Finanzgruppe.

Die liebsten Kunden sind die, die ihre Sparkasse weiterempfehlen und viele Produkte kaufen. Dazu müssen Angebot und Service so gut sein, dass sie Erlebniswert bekommen, sei es in der Filiale, am Telefon, per E-Mail oder Brief oder im Online-Chat. Das kostet, doch eine gute Beziehung ist Investitionen wert.

Ein spannendes Jahr 2016 liegt hinter der Sparkassen-Finanzgruppe – geprägt von zahlreichen Fusionen und Sondierungsgesprächen, Diskussionen über die Erhöhung von Gebühren und Maßnahmen zur Kostenreduzierung. Auch während der nächsten Jahre sind weitere strategische Maßnahmen erforderlich. Viele Vorstände beschäftigen sich mit der zukunftsweisenden Ausrichtung ihrer Sparkasse. Doch was ist die strategische Antwort auf die Marktgegebenheiten? Eine Studie unter Sparkassen zeigt Möglichkeiten, wie sich Sparkassen durch herausragende Kundenerlebnisse vom Wettbewerb differenzieren und damit Zusatzerträge erwirtschaften können.

Das Leben ist mobiler und digitaler denn je. Der Hauptteil der Online-Einkäufe für Weihnachten 2016 wurde bereits über das Smartphone getätigt. Kommunikationsmedien wie WhatsApp, SnapChat und Twitter haben die Geschwindigkeit, in der sich Nachrichten verbreiten, massiv erhöht. War früher die Kundenzufriedenheit ein wesentlicher Indikator, um auf Kundenbindung zu schließen, so ist diese Kennzahl heute ungeeignet, um daraus Kundenbindung abzuleiten.

Zahlreiche Studien zeigen, dass selbst zufriedene Kunden nicht scheuen den Anbieter zu wechseln. Differenzierung im Bankenmarkt wird durch die homogene Produktlandschaft und der Intangibilität von Bankdienstleistungen dringend notwendig. Gleichzeitig wächst der Wettbewerb durch andere Banken und Fintechs täglich – was unterscheidet die Sparkasse hier noch vom Wettbewerb? Verschärft wird die Situation zusätzlich, das – aufgrund der Kostenstrukturen- die Konditionen und Gebühren der Sparkassen, im Vergleich mit anderen Banken, oftmals schlechter sind. Vielen Institute stellt sich daher die Frage, welche strategische Positionierung führt in die Zukunft?

Bei einer im Jahr 2016 unter deutschen Bankkunden durchgeführten Online-Umfrage, nannten die Befragten als Hauptentscheidungskriterium zur Entscheidung für eine Bank die Unkompliziertheit und Einfachheit in der Abwicklung, dicht gefolgt vom Kundenservice und den Konditionen und Preisen. Der Unterhalt eines Filialnetzes wurde von den Probanden auf den letzten Platz, der insgesamt acht Entscheidungskriterien gewählt.

Denkt man an die regulatorischen Rahmenbedingungen und die laufenden gesetzlichen Veränderungen für Aufklärungspflichten etwa im Wertpapiergeschäft und seit Neuestem bei der Baufinanzierung, so wird es noch schwieriger in Augen des Kunden „einfach“ und „unkompliziert“ zu sein. Dennoch schaffen es Markteilnehmer wie etwa N26, sämtliche Auflagen der deutschen Gesetzgebung zu erfüllen und trotzdem dem Kunden ein Erlebnis zu bieten, welches intuitiv, schnell und digital ist. Trotz zahlreicher Aktivitäten wie Yomo oder der Gründung des S-Hub, werden die Sparkassen nur schwer zum Technologieführer aufsteigen, viel mehr stellt sich die Frage, welche weiteren Handlungsalternativen bestehen für die einzelne Sparkasse?

ERTRAGSSTEIGERUNG DURCH HERAUSRAGENDE KUNDENERLEBNISSE

Blickt man in andere Branchen, so haben sich zahlreiche Studien damit beschäftigt, wie Kunden durch herausragende Kundenerlebnisse zum Wiederkauf und zur Weiterempfehlung animiert werden können. Ein Erlebnis im Kontakt mit einem Dienstleister, welches über den zuvor gesammelten Erwartungen des Kunden liegt und für den Kunden somit positiv überraschend ist, löst Freude aus, was im Ergebnis zu Begeisterung führen kann. Begeisterte Kunden zeigen eine höhere Loyalität, höhere Wiederkaufwahrscheinlichkeit und kaufen häufiger Produkte.

Dabei sind die Erwartungen des Kunden nicht nur vom Kontakt mit der Sparkasse oder anderen Banken geprägt, sondern der Kunde vergleicht alle Erlebnisse mit Dienstleistern untereinander. So wird das KundenkommunikationsCenter der Sparkasse verglichen mit dem Anruf etwa beim Serviceteam von Amazon. Ein wesentliches Differenzierungsmerkmal ist daher das Serviceerlebnis, egal ob dies in der Filiale, am Telefon, via Email, im Chat, im Briefkontakt stattfindet. Dabei geht die Definition von Service weit über die branchenübliche Definition mit „Kassengeschäft und Zahlungsverkehr“ hinaus. Vielmehr bedeutet Service, an allen Kontaktpunkten ein Erlebnis anzubieten, das persönlich, unkompliziert, schnell ist und über den Erwartungen des Kunden liegt. Den weltweit serviceorientiertesten Unternehmen wie Singapore Airlines, Walt Disney, Ritz-Carlton gelingt es, trotz hartem Wettbewerb und schwieriger Marktbedingungen, sich erfolgreich zu behaupten und profitabler als die Konkurrenz zu arbeiten.

Sparkassen können sich dank ihrer strategischen Positionierung als serviceorientierteste Bank der Region deutlich vom Wettbewerb abheben und dadurch gleichzeitig ihre Ertragssituation verbessern. Der Autor führte als Teil seiner Dissertation eine Umfrage unter Vorständen von Sparkassen und Genossenschaftsbanken durch. An der Studie nahmen insgesamt 62 Sparkassen und 218 Genossenschaftsbanken teil. Die Zielsetzung war es, die organisatorischen Maßnahmen zur evaluieren, um sich durch herausragende Kundenerlebnisse zu differenzieren. Der quantitativen Studie war eine qualitative Befragung von Vorständen aus beiden Institutsgruppen zur Ermittlung der Handlungsfelder vorangestellt. Insgesamt konnten sechs Handlungsfelder evaluiert werden:

  • Führung und Servicekultur
  • Reputation des Instituts
  • Management des Kundenerlebnisses
  • Serviceinnovation und –erforschung
  • Messung von Überraschung und Begeisterung
  • Technologie und Prozess-Exzellenz

Den größten Einfluss hatte dabei die Implementierung einer Strategie, die die Kundenbedürfnisse in den Mittelpunkt des Handelns stellt. Die vom Vorstand ausgegebene und gelebte Vision, dass die Sparkasse die serviceorientierteste Bank der Region ist und den einzelnen Menschen in den Mittelpunkt stellt, sollten die Führungskräfte ins Unternehmen tragen. Während die Reputation der Institute durchweg positiv eingeschätzt wurde, sahen die befragten Vorstände den größten Handlungsbedarf beim Management des Kundenerlebnisses, Serviceinnovationen und -erforschung sowie bei der Messung von Überraschung und Begeisterung. So beschäftigt sich zurzeit nur eine sehr geringe Anzahl an Instituten für die Frage, aus welchen Motiven und aus welcher Bedürfnislage heraus ihre Kunden Kontakt zum Institut suchen und wie sich diese Bedürfnisse an den unterschiedlichen Kontaktpunkten (persönlich, telefonisch, online) unterscheiden.

Die Studie zeigt, dass Vorstände zwar die Bedeutung des Themas erkennen und damit beginnen, sich mit der Implementierung zu beschäftigen. Aber nur wenige Institute bieten bereits heute herausragende Kundenerlebnisse an allen Kontaktpunkten. Das Kundenerlebnis ist heute nicht Ergebnis eines strukturierten Vorgehens, sondern folgt dem Zufallsprinzip. Im Rahmen des zweiten, noch laufenden Teils der Studie, werden die Ergebnisse aus der quantitativen Erhebung mit Erfolgskennzahlen verglichen. Erste Ergebnisse zeigen, dass eine höhere Ausprägung der strategischen Ausrichtung auf herausragende Erlebnisse, einen negativen Einfluss auf die Cost-Income-Ratio hat und somit durch einen höheren Reingewinn je Mitarbeiter, zu einer besseren Ertragssituation führt. Das verwendete Strukturgleichungsmodell zeigt signifikante Ergebnisse, die die Hypothese bestätigen, dass herausragender Service nicht nur eine Möglichkeit zur Differenzierung, sondern in der aktuellen Marktsituation eine Möglichkeit zur profitablen Ausrichtung der Sparkasse darstellt.

ERSTER SCHRITT: ERLEBNISSE ERZEUGEN – KUNDEN INTEGRIEREN

Um Erlebnisse jenseits der Erwartungen des Kunden zu erzeugen, ist es erforderlich, die Kundenerwartungen zu kennen und diese dann nach der Implementierung von entsprechenden Prozessen mindestens zu erfüllen. Fokusgruppenbefragungen oder die Einrichtung eines Kundenbeirats, der regelmäßig die Erwartungshaltung spiegelt, sind hier empfehlenswerte Instrumente. Anschließend gilt es, ein Erlebniskonzept über alle Kontaktpunkte zu erarbeiten. Was erlebt der Kunde mit der Sparkasse zurzeit an welchem Kontaktpunkt und wie sähe das Idealerlebnis aus?

ZWEITER SCHRITT: UNKOMPLIZIERT UND SCHNELL AGIEREN

Bequemlichkeit steht bei sämtlichen Transaktionen im Vordergrund. Daher sind Sparkassen dazu aufgefordert, mit der Lebenszeit ihrer Kunden so sparsam wie möglich umzugehen. Ein Beispiel: Die Kreditentscheidung bei einem Kauf, etwa im MediaMarkt, erfolgt meist schneller, als bei der heimischen Sparkasse. Warum sollte sich der Kunde für einen Kredit Urlaub nehmen, den er woanders sofort bekommt? Daher muss das angestrebte Ziel bei allen Prozessen sein, unkompliziert und möglichst beim erstmaligen Kontakt fallabschließend zu handeln, gerade die aktuellen Entwicklungen mit OSPlus-Neo bieten hier große Chancen.

DRITTER SCHRITT: EMPATHIE UND BEGEGNUNGEN AUF AUGENHÖHE

Bankmitarbeiter treffen sowohl auf wenig erfahrene Kunden, die sich etwa zum ersten Mal mit dem Kauf einer Immobilie auseinandersetzen, als auch auf Kunden, die bereits über eine hohe Vorbildung und Erfahrung verfügen. Für die gesamte Bandbreite an Kundenwissen muss der Mitarbeiter in der Lage sein, empathisch zu reagieren, den einen nicht zu überfordern und den anderen nicht zu langweilen. Auch hier ist wieder das Erlebnis entscheidend. Das Erlebnis bei einer Sparkasse muss dabei mindestens so gut wie bei einer Direktbank oder einem Vergleichsportal sein, im Idealfall besser, doch auf keinen Fall schlechter. Denn warum sollte ein rational entscheidender Kunde einen Vertrag mit einer Sparkasse abschließen, obwohl die Konditionen schlechter als bei den genannten Wettbewerbern sind? Mitarbeitertrainings zur Sensibilisierung dieser Empathie oder persönliche Erlebnisse, bei denen etwa Mitarbeiter selbst eine Beratung bei Check24 erleben und diese mit dem Vorgehen in der Sparkasse vergleichen, sind hier nützliche Maßnahmen.

VIERTER SCHRITT: KUNDEN ÜBERRASCHEN

Um Kunden zu überraschen sind keine großen Investitionen notwendig, bereits die empathische Reaktion von Mitarbeitern, kann Kunden begeistern, etwa die Gratulation zum zehnjährigen Bestehen der Kontoverbindung (anstatt zum 50. Geburtstag wie bei anderen Dienstleistern), oder die kulante Reaktion bei einer vom Kunden versäumten Frist. Der Kunde sollte sich im Moment der Überraschung fragen „Wie haben die das gemacht? Hätte ich nie gedacht.“

Hier entscheiden vor allem das empathische Zuhören der Mitarbeiter und die konsequente Nutzung eines CRM-Systems. Im heutigen digitalen Zeitalter ist es nicht zeitgemäß, dass wegen des Vertriebscontrollingsystems der Kunde nicht alle Kanäle nutzen kann, sondern häufig an den persönlichen Betreuer verwiesen wird, der dadurch zum Engpass wird und sich der Prozess aus Kundensicht unnötig verlängert.

Die Ergebnisse zeigen, dass sich Sparkassen durch das Angebot von herausragenden Erlebnissen erfolgreich vom Wettbewerb differenzieren können. Nach Fusionen, Filialschließungen und Gebührenerhöhungen, sollte nun die volle Aufmerksamkeit dem Kundenerlebnis gewidmet werden.

Ich wünsche Ihnen viel Freude und Inspiration dabei.

Ihr

Jürgen Weimann

Bildquelle: https://unsplash.com/@schmidy

Über den Autor: Prof. Dr. Jürgen Weimann

Dr. Jürgen Weimann ist einer der führenden Managementberater für Zukunftsfähigkeit durch wirkungsvolle Führung und kompromisslose Kundenzentrierung mit Schwerpunkt im Sparkassen Consulting & Bank Beratung.

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