Du-Kultur bei Banken und Sparkassen: Sinn oder Unsinn?
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(gekürzte Version des Artikels erschienen zuerst in der Bankinformation 12/2024)
Das generelle Duzen wird im Bankenkontext immer häufiger diskutiert und vereinzelt schon praktiziert. Doch was bedeutet dieser Wandel konkret? Und welche Vor- und Nachteile bringt er mit sich? Weiterführende Gedanken zur Entscheidungsfindung.
Seit jeher stehen Sparkassen und Banken für Vertrauen, Seriosität und Professionalität. Diese Werte spiegeln sich nicht nur in der Geschäftspraxis wider, sondern auch in der Kommunikation. Das Sie galt jahrzehntelang als selbstverständlich. Es schuf Distanz, die Autorität signalisierte, und unterstützte eine hierarchische Struktur, in der klare Rollen und Verantwortungen existierten. Das Bankwesen hat konservative Wurzeln. Allein das früher häufig verwendete Wort der Kreditgewährung zeigt, wie wichtig es den Menschen war, Rang und Status auch bei den Kunden sprachlich zu signalisieren.
Immer mehr Institute überlegen aktuell, ob die Du-Kultur ein geeigneter Schritt ist, um den Wandel mitzugestalten. Im Übrigen handelt es sich um eine sehr nationale und branchenspezifische Diskussion. Denn in Organisationen mit länderübergreifenden Teams oder in der Kreativbranche ist das Du bereits heute Standard. Gleichzeitig geht es häufig vor allem um das vertikale Du, also hierarchieübergreifend, da sich bereits heute viele Teams untereinander duzen.
Gleich vorweg: Die reine Umstellung auf das Du ändert genau so viel in der Bankenwelt, wie das Abnehmen der Krawatten oder das Tragen von weißen Sneakern. Alle genannten Punkte sind Symbole, also Kennzeichen der Unternehmenskultur, wie der Dienstwagen, Titel, oder die Größe des Büros. Entscheidend für den Erfolg oder Nichterfolg ist die Frage: Ist das Du Bestandteil einer umfangreicheren Transformation? Oder besteht eher die Hoffnung, dass sich mit der generellen Einführung des Du – also durch die Veränderung eines einzigen Symbols – das komplette Miteinander wandelt?
Ist Zweiteres der Fall, verkommt das Du schnell zum Cargo-Kult-Management, also einer zur Schau getragenen Form der Offenheit und Innovation, die nichts mit der wirklichen Unternehmensrealität zu tun hat.
Studien zeigen, dass eine pauschale Antwort auf die Frage, ob das Duzen oder das Siezen besser ist, nicht existiert. So richtet sich der Blick auf die spezifischen Vor- und Nachteile beider Formen der Anrede:
Argumente für die „Du-Kultur“
Im Duzen besteht vor allem die Chance, Barrieren abzubauen und eine offenere, modernere Unternehmenskultur zu kennzeichnen. In einer Zeit, in der Flexibilität und Agilität als Erfolgsfaktoren gelten, erscheint das Sie oft wie ein Relikt aus einer anderen Epoche. Ähnlich wie – gerade bei Kreditinstituten – getragene Direktorentitel.
Folgende Vorteile einer Du-Kultur lassen sich zusammenfassen:
Symbol einer modernen Unternehmenskultur
Insbesondere jüngere Generationen erwarten von ihrem Arbeitgeber ein modernes, offenes Arbeitsumfeld. In Branchen, in denen Talente hart umkämpft sind, könnte die Du-Kultur ein Signal sein, dass auch die entsprechenden Institute sich diesen Erwartungen öffnen und zeitgemäße Arbeitsbedingungen bieten.
Förderung von Teamgeist und Zusammenarbeit
Das Duzen schafft eine unverkrampfte Atmosphäre, in der sich Mitarbeiter eher als Team verstehen. Das Du kann Barrieren abbauen und ein Gefühl von Nähe und Vertrauen fördern.
Beschleunigung der Integration neuer Mitarbeiter
Gerade Institute, die vor großen strukturellen Veränderungen stehen oder viele neue Mitarbeiter an Bord holen, kann das Du helfen, den Integrationsprozess zu beschleunigen. Es erleichtert das Ankommen im Team und stärkt das Zugehörigkeitsgefühl unabhängig von der individuellen Betriebszugehörigkeit.
Innovation durch psychologische Sicherheit
Eine lockere, weniger formelle Atmosphäre kann Kreativität und Innovation fördern. Wenn sich Mitarbeiter unabhängig von Hierarchien trauen, ihre Ideen offener zu äußern, kann dies zu einem lebendigeren Innovationsklima beitragen.
Symbolische Unterstützung für Wandel
Wie bereits betont, ist das Du nicht die Ursache für tiefgreifende Veränderungen, sondern vielmehr ein unterstützendes Symbol für einen bereits begonnenen Wandel. Es zeigt, dass die Bank sich in Richtung einer offeneren, moderneren Kultur bewegt, in der traditionelle Strukturen hinterfragt werden.
Argumente gegen die „Du-Kultur“
Trotz der zahlreichen Argumente für das Duzen gibt es auch mögliche Nachteile:
Distanzverlust
Während das Du in agilen Teams förderlich ist, stellt es in hierarchischen Strukturen mit klaren Entscheidungswegen manchmal eine Herausforderung dar. Einige Führungskräfte sehen das Duzen als Verlust von Autorität und Kontrolle. Führungskräfte, die bisher stark über formale Autorität geführt haben, könnten Schwierigkeiten haben, sich in einer Du-Kultur zurechtzufinden.
Gewöhnung an die neue Kultur
Die Einführung einer Du-Kultur ist ein einschneidender Wandel, der nicht von allen Mitarbeitern gleichermaßen angenommen wird. Besonders Kollegen, die stark in der traditionellen Kultur verwurzelt sind, könnten Schwierigkeiten haben, sich an diese neue Form der Kommunikation zu gewöhnen.
Verlust eines Symbols
Das Du ist ein Symbol der Nähe und des Vertrauens. Man durfte sich das Du als Mitarbeiter erarbeiten. Es symbolisierte somit einen Verdienst der individuellen Leistung in der Vergangenheit. Bei einer pauschalen Du-Kultur entfällt diese Symbolik von Leistung und Vertrauen.
Scheinnähe
Nähe entsteht nicht durch eine Verordnung einer Anrede, sondern durch gegenseitiges Vertrauen. Dieses wächst durch gemeinsame Erlebnisse und das daraus resultierende Gefühl, dass man sich auf das Gegenüber verlassen kann. Das Du klingt zwar näher, wirkliche Nähe entsteht jedoch auf Basis von Erfahrung im Herzen und nicht durch die Anrede.
Alle diese Aspekte zeigen: Die Frage, ob Sparkassen und Banken eine generelle Du-Kultur einführen sollten, lässt sich nicht einfach beantworten. Vielmehr hängt die Entscheidung von der individuellen Ausgangssituation ab. Es gilt die Vor- und Nachteile abzuwägen und vor allem die eigene Haltung zu reflektieren. Denn eines ist klar: Ist einmal den Weg des Du eingeschlagen, gibt es kein Zurück mehr.
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