Wertschätzung

Unterstellen wir eine Lebenserwartung von 77 Jahren, eine tägliche Schlafdauer von 8h, dann ergeben sich ca. 450.000 Stunden Lebenszeit, davon verbringen wir allein ca. 50.000 Stunden mit der Aufnahme von Essen, ca. 5.500 Stunden auf der Toilette usw. Fazit – Lebenszeit ist kostbar, daher sollten nicht nur wir persönlich damit bewusst umgehen, sondern ebenso Unternehmen, indem sie Kunden nicht mit langwierigen Prozessen wertvolle Zeit klauen. Ein Credo auf die Wertschätzung.

Synonyme für Wertschätzung sind z.B. Achtung, Anerkennung, Ehrfurcht, Bewunderung, Hochschätzung, Liebe, Verehrung, Ehrerbietung. Auch wenn jeder Mensch Wertschätzung sehr individuell definiert, so merken wir dennoch sofort, ob wir wertschätzend behandelt wurden. Wertschätzung bedeutet für mich, den Menschen, die mir begegnen mit der Grundannahme „es ist ein wundervoller Mensch“ gegenüberzutreten. Mich treibt die Überzeugung an, dass jede menschliche Handlung einer positiven Grundhaltung folgt, gerade in Zeiten in denen viele Kriege und Angst herrscht, mag dies seltsam erscheinen, aber z.B. selbst ein Dieb der mich versucht auszurauben, will mit dem Erlös seine Familie ernähren. Ich habe häufig Situationen und Gespräche erlebt, in denen sich Menschen über den mangelnden Respekt Anderer beklagt haben. Häufig waren dies Menschen, die selbst respektlos denen gegenüber auftraten, über deren Verhalten sie sich beklagten. Dies erleben wir ebenso im Business-Kontext, z.B. beklagen sich Hotels die seit Jahrzehnten nichts mehr investiert haben, über die Konkurrenz die Kunden abwirbt, oder der Handel über die Online-Shops – doch was wurde denn in den letzten Jahren konkret getan, um die Kunden auch zukünftig zu begeistern, wie häufig hat man Kunden nach Ihrer Meinung gefragt, um Potenzial zur Verbesserung oder sich veränderndes Kundenverhalten zu erkennen?

Wertschätzung ist eine Haltung, die unser Verhalten prägt, ich spreche hier nicht von einer Strategie oder einem Aufrechnen nach dem Motto: „Erst müssen Sie wertschätzend sein, dann bin ich es auch“. Ich spreche von einem Verhalten wie es in der reinsten Form bei Kindern zu beobachten ist, eine positive Grundhaltung. Unsere Gedanken prägen unsere Verhalten, unser Verhalten unsere Erlebnisse und somit das Erleben unser individuell konstruierten Welt. Gerade in Coachings habe ich häufig erlebt, dass die Mitarbeiter, die mir vom Auftraggeber als „nicht führbar“, „unmöglich“, „beratungsresistent“ beschrieben wurden, nach einer Begegnung voller Wertschätzung und Respekt, sich alles andere als so verhielten, weil ich Sie als Mensch gesehen habe und Sie nicht mit der Brille „Minderleister“ angesehen habe, sondern mit der Brille „motivierter Mitarbeiter“, denn wenn sie das nicht gewesen wären, wären sie schon lange nicht mehr am Arbeitsplatz erschienen. Vielleicht stellen Sie sich nun die Frage welchen Bezug dies zu Vertrieb hat. Ich möchte hierzu zwei Erlebnisse mit Ihnen teilen.

Letzte Woche erhielt ich ein Schreiben meiner Hausbank. Das Institut zeigt sich in der öffentlichen Kommunikation als menschennah, persönlich mit Kunden agierend und möchte sich als Regionalbank klar von Direktbanken differenzieren. Das Erste was mir auffiel war ein sehr dünnes Papier für das Anschreiben, sicher ein Zeichen der Kosteneffizienz, gleichzeitig trug es keinerlei Unterschrift. Im Kern ging es um die Vorstellung eines öffentlichen Förderprogramms der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KFW) für Gewerbeimmobilien. Als Ansprechpartner wurde in der Kopfzeile meine persönliche Betreuerin genannt, in der Signatur war aber ein „Leiter Firmenkunden“ genannt, den ich nicht kenne und der das Schreiben auch nicht unterschrieben hat. Welche Nachrichten kamen bei mir an?

  1. höchste Kosteneffizienz – billiges Papier, Massendruck, keine persönliche Unterschrift, nicht mal ein Faksimile
  2. kein persönlicher Bezug – ein klassisches „Massenmailing“ – das Angebot war in etwa so relevant für mich, als wenn Sie einem Veganer ein Steak anbieten

Im Fazit – ein nicht wertschätzendes Verhalten mir gegenüber. Gleichzeitig prägt mich dieses Erlebnis negativ, da ich bei künftig folgenden Briefen, eher die Annahme treffe „wahrscheinlich wieder etwas, was unprofessionelle Werbung enthält“. Im zweiten Erlebnis, bat mich eine Freundin um meine Einschätzung zu einer Fondsanlage, Ihre Hausbank hat Sie angesprochen, um eine Optimierung Ihrer Anlagen vorzunehmen. Sie leitete mir eine Email weiter, die sieben Dokumente enthielt. Das erste Dokument war das Ergebnis eines im Internet verfügbaren Performancerechners, ein als Screenshot erzeugtes Dokument, ohne CI der Hausbank. Die weiteren Dokumente waren jeweils zweiseitige sogenannte Fondsportraits, die wesentliche Informationen über die Anlageprodukte enthielten, dies waren gescannte Ausdrucke, die zur Mitte hin immer blasser wurden, vermutlich Tonermangel beim Ausdruck. Gleichzeitig waren alle Dokumente mit einem Stempel „Keine Empfehlung / Beratung – Nur zur Information“ gekennzeichnet. Sie können sich sicher denken, was mein Fazit ist? Wollen Sie einer Bank Ihre Vermögenswerte anvertrauen, die es nicht mal für notwendig erachten, Ihnen eine ansprechende und vor allem übersichtliche Angebotspräsentation zu erstellen?

Sicher sind Ihnen leider auch schon solche Erlebnisse passiert, denken Sie z.B. an einen Umtausch im Handel, wo Sie meist gezwungen werden den Kassenzettel vorzulegen, auch wenn Sie mit Karte gezahlt haben. Alles spricht von Big Data, warum kann die Servicemitarbeiterin dann nicht all meine Transaktionen im System des Händlers finden? Mich persönlich prägen folgende Glaubenssätze:

  1. Je wertschätzender wir agieren, desto bereicherter unser Leben.
  2. Je wertschätzender Unternehmen mit Ihren Mitarbeitern umgehen, desto erfolgreicher sind sie.
  3. Je wertschätzender Kunden behandelt werden, desto häufiger kaufen und empfehlen sie. 

Daher hinterfragen Sie Ihre bestehenden Prozesse und Strukturen anhand folgender Frage:

„…IST DIES WERTSCHÄTZEND UNSEREN MITARBEITER UND / ODER KUNDEN GEGENÜBER?“

Lange und umständliche Prozesse, eine Unternehmenskultur die mehr von Misstrauen, als von Vertrauen in den Einzelnen geprägt ist, könnten der Wertschätzung nicht ferner sein, im Gegensatz dazu, entfaltet gelebte Wertschätzung eine kraftvolle und wunderbare Wirkung.
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Über den Autor: Prof. Dr. Jürgen Weimann

Dr. Jürgen Weimann ist einer der führenden Managementberater für Zukunftsfähigkeit durch wirkungsvolle Führung und kompromisslose Kundenzentrierung mit Schwerpunkt im Sparkassen Consulting & Bank Beratung.

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