Wenn das Besondere fehlt – naht der Untergang

Am 13.04.2017 titelte die FAZ: „Die Lufthansa wird Billigflieger“. Jetzt mag sich der Leser fragen: „Billigflieger? Die Lufthansa?“ Stand die Fluglinie doch seit Jahren für den Anspruch von „Premium-Service“. Veränderungen dieser oder ähnlicher Art beobachtet man aktuell in vielen Branchen. Die Ursache ist meist gleich: Wenn das Besondere fehlt, entscheidet der Preis!

Die Lufthansa zittert vor Ryanair, die traditionellen Banken vor den FinTechs, der Einzelhandel vor Amazon, die Taxi-Branche vor Uber, die Hotellerie vor AirBnb, die traditionellen Bäcker vor den SB-Bäckern….die Liste mit Beispielen ließe sich beliebig verlängern. Gleichzeitig gibt es auch andere Beispiele: Rituals erobert den gesättigten Pflegeproduktmarkt, oder neue Restaurants prosperieren in der gleichen Lokalität, in der das vorherige Restaurant pleite gegangen ist. Liest man die Geschäftsberichte der „Angegriffenen“ so ist meist von „einer schwieriger Marktsituation“ oder „hohen Konkurrenzsituation“, als Rechtfertigung von schrumpfenden Umsätzen oder Margen die Rede. Doch wenn „früher alles besser gewesen ist“, wie kann es dann sein, dass es anderen Unternehmen gelingt in diesen Märkten erfolgreich zu agieren? Betrachten wir dies am Beispiel der Lufthansa näher.

Bei einem innerdeutschen Flug der Economy Class, wurden Sie früher am Service-Schalter der Lufthansa empfangen, um Ihre Bordkarte in Empfang zu nehmen. Nach den Sicherheitskontrollen erwarteten Sie Getränke, damit die Zeit bis zum Einsteigen für den Passagier etwas angenehmer war.  An Bord stand ihnen eine Auswahl an Zeitungen und Magazinen zur Verfügung und es wurden Speisen und Getränke gereicht. Die Mitarbeiter versuchten ihr Bestes den Aufenthalt an Bord so besonders wie möglich zu machen.

Fliegt man heute mit der Lufthansa, trifft man den ersten Mitarbeiter erst beim Einsteigen, da der Check-In-Vorgang digitalisiert ist. Am Gate stehen kostenpflichtige Automaten mit Getränken bereit. Zeitungen und Zeitschriften sind an Bord nicht vorhanden und ihr Wunschgetränk bezahlen sie selbst. Gleichzeitig erscheint es bei immer mehr Flügen, dass das Personal früher freundlicher war, dies wiegt aber nicht so schwer, da man aufgrund des vom Unternehmen vorgesehenen Gesamterlebnisses, nicht mehr so viel Kontakt mit den Mitarbeitern hat. Als Zwischenfazit stellt sich die Frage: Was unterscheidet einen Flug mit der Lufthansa, von einem Flug mit einer anderen Airline? Nichts! Hier liegt der Kern des Problems. Warum sollte ein Kunde dann einen Preisaufschlag im Vergleich zu anderen Fluglinien akzeptieren? Sobald der Kunde bei einer billigeren Airline das gleiche Erlebnis wie bei der Lufthansa hat, wird er sich für den günstigeren Preis entscheiden.

WENN DAS BESONDERE FEHLT, ENTSCHEIDET DER PREIS

Somit ist bei den meisten Unternehmenskrisen nicht die „schwierige Marktsituation“ die Ursache der Krise, sondern ein Geschäftsmodell, dem das Besondere fehlt. Bei einbrechenden Geschäftsergebnissen reagieren die meisten Unternehmen entweder mit Kostensenkungsprogrammen oder mit der Hoffnung, es würde schon wieder besser werden. Beides führt aber mittelfristig in die Bedeutungslosigkeit. Viel mehr ist eine hybride Strategie notwendig, die auf der einen Seite überprüft, wo Kosteneinsparungs-potenziale vorhanden sind, auf der anderen Seite aber Maßnahmen, die auf die Kundenbedürfnisse zugeschnitten sind und darauf abzielen das Kundenerlebnis zu verbessern.

Wie eingangs erwähnt betrifft dies nicht nur die Lufthansa, zahlreiche andere Unternehmen sind ebenso davon betroffen. Es gibt noch eine weitere, schlimmere Variante: ein schlechteres Erlebnis zum teureren Preis.

BETRIEBSWIRTSCHAFTLICHER SUPER-GAU: SCHLECHTERES ERLEBNIS, ZUM TEUREREN PREIS

Lassen Sie mich dieses auf den ersten Blick unrealistische Szenario anhand von provokanten Beispielen erklären (natürlich gibt es immer positive Ausnahmen): Warum sollte ich mit dem Taxi fahren, in dem ich meist nicht mit Kreditkarte zahlen kann, die Gefahr besteht, dass mich der Fahrer als Ortsfremden „spazieren fährt“, wenn bei Uber die bequeme Kartenzahlung Standard ist, der Fahrpreis günstiger, die App den kürzesten Weg vorgibt und die Fahrer meist auch noch freundlicher sind? Warum sollte ich zum MediaMarkt gehen, bei dem sich die meisten Verkäufer weniger auskennen, als ein Amateur nach 10 Minuten googlen, die Lieferung extra berechnet wird und das Produkt eine Lieferzeit von mehreren Tagen hat, während ich bei Amazon via Klick, mit garantierter Lieferung und meist besseren Preis kaufen kann? Warum sollte ich ein Konto für 9 € pro Monat bei der Sparkasse haben, wenn andere Banken die Möglichkeit anbieten, Bankgeschäfte entweder online, oder telefonisch 24h an 7 Tagen die Woche abzuwickeln und das entweder kostenlos oder preiswerter?

Ein schlechteres Erlebnis und dann auch noch teurer? Wenn ein solches Szenario eintritt, ist höchster Handlungsbedarf vorhanden. Ein solches Vorgehen kommt einem Obsthändler gleich, der seine Bananen künftig zum doppelten Preis am Markt anbieten würde, weil er gegenüber des  Vormonats nur die Hälfte verkauft hat. Würde ihn das wirklich retten? Wir alle kennen die Antwort.

Manche Leser könnten dies für ein überzogenes Beispiel halten, doch ähnelte die Logik mancher Sparkassen bei der Einführung von Gebühren für Geldabhebungen nicht sehr dem Obsthändler? Anstatt sich die Frage zu stellen, was differenziert uns vom Wettbewerb? Und welche Maßnahmen sind notwendig, um das beste Kundenerlebnis am Markt anzubieten? Riesige Wellen der Entrüstung sind dadurch in den letzten Wochen entstanden, der dadurch entstandene Imageschaden ist nicht bezifferbar. Und warum – weil die Antwort auf die Eingangsfrage fehlt : Was macht die Sparkasse besonders?Differenzieren Sie sich durch eine klare Antwort!

Bildquelle: https://unsplash.com/@clemono2

Über den Autor: Prof. Dr. Jürgen Weimann

Dr. Jürgen Weimann ist einer der führenden Managementberater für Zukunftsfähigkeit durch wirkungsvolle Führung und kompromisslose Kundenzentrierung mit Schwerpunkt im Sparkassen Consulting & Bank Beratung.

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