Gebühren von Girokonten – letztes Aufbäumen oder Chance für Filialbanken?

Zuletzt informierte die Postbank Ihre Kunden über die Einführung einer monatlichen Gebühr für das Girokonto. Zahlreiche andere Bankkunden in Deutschland haben ebenso Nachricht von Ihrem Institut bekommen, dass zukünftig Gebühren zu entrichten sind, oder bisherige Preise steigen. So betriebswirtschaftlich nachvollziehbar die Preiserhöhungen sind, so gefährlich sind Sie gleichzeitig für die Kundenloyalität. Eine reine Preiserhöhung bleibt ein Strohfeuer, die Bankdienstleistung muß sich grundlegend ändern.

Filialbanken in Deutschland stehen vor der größten Veränderung in Ihrer Geschichte. Selten zuvor wurde das Geschäftsmodell so in Frage gestellt. Es vergeht kein Tag, wo nicht mindestens eine negative Nachricht über Banken der Presse zu entnehmen ist. Die aktuelle Niedrigzinssituation setzt die Erträge der Institute extrem unter Druck, gleichzeitig hat sich durch die Digitalisierung das Kundenverhalten verändert. Hinzu kommen zahlreiche Unternehmen aus der Digitalindustrie sog. FinTechs, die durch Vereinfachung und Kundenzentrierung, profitable Elemente der Wertschöpfungskette von Banken angreifen. Die Institute kommen –trotz zahlreicher Kostensenkungsprogramme- nicht hinterher Ihre Kosten, die vor allem durch Personalüberhänge und die teuer zu betreibenden Filialnetze entstehen, entsprechend der Geschwindigkeit der Ertragsverluste zu senken. Die letzte Chance heißt: So schnell wie möglich Erträge steigern.

„DIE REINE ERHÖHUNG DER GIROPREISE IST EIN STROHFEUER“

Blickt man auf die Kundenseite, so bekommen Banken ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. So gaben in einer 2015 von Capgemini durchgeführten Studie nur 55,1% der befragten Kunden an, dass Sie auch noch die nächsten sechs Monate planen bei Ihrer Bank zu bleiben, 38,4% würden ihre Bank weiterempfehlen und 15,9% der befragten Kunden ein weiteres Produkt kaufen (vgl. Capgemini 2016). Die bisherigen Erfahrungen zeigen zwar, dass nur wenige Kunden die Bank wirklich wechseln, doch die Zeiten werden sich aus Sicht des Autors drastisch ändern. Vor allem folgende Gründe sprechen dafür:

  • Die Einführung der IBAN hat dazu geführt, dass die emotionalen Gründe, die bisher einen Wechsel verhindert haben, entfallen: z.B. „Ich habe eine so schöne Kontonummer oder ich mag keine neue Kontonummer”.
  • Mit der Einführung des Gesetzes zur Erleichterung des Kontowechsels, sind Banken dazu verpflichtet Zahlungsverkehrsdaten an das neue Institut zu übermitteln. Ein Bankwechsel wird so einfach wie nie zuvor. Gleichzeitig lösen Apps wie z.B. fino bereits heute dieses Problem.
  • Neue Legitimationsverfahren wie z.B. ID-Now machen eine Kontoeröffnung bequem von zu Hause aus möglich.

Doch die entscheidendste Frage ist:

„WARUM IST DIE DIENSTLEISTUNG EINES BANKKONTOS KEIN GELD WERT?“

Ein reines Drehen an der Gebührenschraube hilft zwar kurzfristig, wird aber mittel- und langfristig nicht zum Ziel führen. Für ein schlechtes Erlebnis Geld zu bezahlen, ist aus Kundensicht nicht akzeptabel. Eine aktive Veränderung des Kundenerlebnisses ist somit zwingend notwendig.

Thesen und Lösungsalternativen:

KUNDENZENTRIERUNG NICHT ALS LIPPENBEKENNTNIS, SONDERN ALS ERNSTGEMEINTE STRATEGIE

Bearbeitungszeiten von mehreren Tagen und Wochen für einen Kredit, umständliche Eröffnungs- und Abwicklungsprozesse, um nur zwei Beispiele zu nennen, leider ist dies nicht graue Vergangenheit, sondern oftmals die traurige Gegenwart. Die Leser, die das Gegenteil behaupten, empfehle ich eine Depoteröffnung für ein minderjähriges Kind, bei einer Filialbank Ihrer Wahl.

Evaluation der Kundenbedürfnisse und konsequente Ausrichtung der Strukturen, Abläufe, Produkte und Prozesse darauf – Einfachheit und Kundenerlebnis im Vordergrund

SERVICE IST DAS ENTSCHEIDENDE DIFFERENZIERUNGSMERKMAL

Zahlreiche Studien bei Banken zeigen, dass Kunden, deren Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern übertroffen werden, eine höhere Wiederkaufwahrscheinlichkeit, Weiterempfehlungs- und Preisbereitschaft haben. Nur wenige Banken zeichnen sich bereits heute durch exzellente Serviceleistungen aus, dies beginnt schon bei den Öffnungs- und Servicezeiten, die oftmals fernab der Lebensrealität der Kunden liegen.

Herausragende Serviceerlebnisse an allen Kontaktpunkten erzeugen – „das Amazon des Bankings“ durch Unkompliziertheit und Schnelligkeit werden

EINSATZ VON MENSCHEN UND TECHNOLOGIE

Zahlreiche Bankdienstleistungen, die früher eine persönliche Anwesenheit in der Bank erforderten, funktionieren heute über das Smartphone. Dennoch gibt es Situationen, in denen das persönliche Gespräch sinnvoller ist.

Einsatz und Weiterentwicklung von Technologien, die dem Kunden den Kontakt mit der Bank so bequem wie möglich machen, gleichzeitig aber den Menschen (Kunde/Mitarbeiter) in das Zentrum des Handelns stellen

Solange, am Beispiel des Girokontos, das Konto bei einer Filialbank x EUR pro Monat kostet und keine 24h/7 Verfügbarkeit bietet, sowie unterdurchschnittlicher Service vorherrscht und es Direktbanken gibt, die an 7 Tagen rund um die Uhr zuvorkommenden Service, weltweite, kostenfreie Abhebungsmöglichkeit mit der Kreditkarte anbieten und das kostenfrei – bleibt es sehr gefährlich für die klassischen Filialbanken. Zusätzlich rollt bereits die nächste Welle, nämlich die Einführung von Negativzinsen auf Einlagen, auf Kunden und Institute zu.Umso wichtiger ist es, dass Filialbanken sich gerade jetzt damit beschäftigen, wie sie Ihre Kunden durch einzigartige Erlebnisse begeistern können.

Ich bin gerne an Ihrer Seite.

Ihr

Jürgen Weimann

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Literatur:

Capgemini, 2016. World Retail Banking Report 2016. , 1. Available at: https://www.worldretailbankingreport.com/ [Accessed June 20, 2016].

Fotoquelle: Unsplash

Über den Autor: Prof. Dr. Jürgen Weimann

Dr. Jürgen Weimann ist einer der führenden Managementberater für Zukunftsfähigkeit durch wirkungsvolle Führung und kompromisslose Kundenzentrierung mit Schwerpunkt im Sparkassen Consulting & Bank Beratung.

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